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Beim Zahnarzt

Die Krone

Ich nehme auf einem roten kunstbeldeterten Behandlungsstuhl Platz und muss mir, im für den Teint unvorteilhaften Schein der Neon-Illumination, ein Papierlätzchen umhängen lassen. Wellness geht anders.
Ich lächle zuversichtlich und öffne meinen Mund. Während der Zahnarzt meinen Zahnkrater untersucht und prüft, ob er auf Kälte reagiert, sagt er, ich solle: „Aaah“ machen, wenn es weh täte. Der Zahn, der sich nach 20 Jahren seiner altersschwachen Füllung entledigt hat, reagiert. Allerdings nur zart. Somit mache ich nichts. Weh tun geht anders. Der Zahnarzt fragt erstaunt, ob ich etwas gemerkt hätte und ich will nicken und sagen, dass es aber gar kein Schmerz war. Aber er hat ja seine Hand und eine Sonde in meinem Mund. Ich brumme: „mmmmmmhmmmhmmm!“
Er lässt von meinem Kauapparat ab und ich kann kurz erläutern. Er nickt und sagt, dann müssen wir trotzdem eine Betäubung nehmen. Dabei wird mein Blick frei auf eine Spritzenaparatur, die ich generell an keiner Körperstelle erquicklich fände. Die Nadel ist so lang, dass ich Sorge habe, sie könne mir vom Gaumen durch ins Auge stechen. Hilfe.
Zunächst wird der Behandlungstuhl in Position gebracht. Per Knopfdruck wird der Stuhl zur Liege und fährt immer weiter in eine Position, in der meine Beine oben und mein Kopf unten hängen. Der Zahnarzt holt derweil etwas im Nebenraum. Ich bekomme einen Lachanfall.

Kopfkino.

Die Spritze merke ich garnicht, die Betäubung dagegen schon. Ich lache immer wieder und fragen mich, ob da Drogen drin waren, oder ob ich eine allergische Lachreaktion auf das Betäubungsmittel habe. Kurz habe ich Angst, mein Mundwinkel könne schlaff nach unten hängen.

Der Zahnarzt wirkt irritiert, ob meines Frohsinns.

Es wird ein erster Abdruck genommen. Ich komme mir bescheuert vor. Diese Abdruckpaste kann ich geschmacklich ertragen, aber mit dieser Maulsperre und dem Lätzchen fühle ich mich ziemlich würdelos. Und ich kann nichtmal Witze darüber machen. Und lachen darf ich auch nicht. Ich muss ja still halten und in dieser vollausgeleuchteten würdelosen Position verharren. Das erste Mal ärgere ich mich, dass das ganze Prozedere ja auch noch richtig Geld kostet, das man wunderbar für Weihnachtsgeschenke hätte nutzen können.

Nach dem Abdruck wird der Krater mit dem Bohrer bearbeitet. Ich schließe die Augen. Der Zahnarzt meint, ich solle die Augen auf lassen. Ich würde gerne fragen warum, aber ich habe einen Sauger und eine Hand nebst Bohrer in meinem Mund. Ich schließe renitent die Augen. Der Zahnarzt sagt wieder, dass man doch im Dunkeln mehr Angst hätte, ich solle die Augen offen lassen. Ich habe das Gefühl ich müsste mal dringend schlucken und wollte gerne sagen, dass ich 3 Kinder zur Welt gebracht hätte und deshalb ganz gut wüsste, wie genau ich mehr oder weniger gut entspannen könnte. Aber ich bin zum Schweigen gezwungen. Der Sauger, der Bohrer…

Ich kneife die Augen zu und entspanne so gut ich kann. Dieses Geräusch….Ich möchte schlucken. Ich krieg ne Kieferstarre. Es dauert, bis das arme Zähnchen soweit runter geschliffen und rund herum bearbeitet ist. Zwischendurch darf ich ausspülen und bin froh um mein Lätzchen. Ich würde gerne meinen Mund mal länger wieder zu machen und meinen Spuckehaushalt regulieren. Aber weiter geht´s.
Dank der Betäubung merke ich nichts und stelle mir auch nicht weiter vor, was da alles genau gemacht wird. Irgendwie tut es mir schon leid, dass der Zahn da so zurecht gestutzt wird. Und wieder denke ich, wie undankbar diese kinderfreien 2 Stunden genutzt sind.

Schließlich wird nochmal ein Abdruck genommen. Wieder sitze ich mit aufgesperrtem Mund aus dem klebrige Paste quillt und fühle mich albern. Ich starre durchs Fenster raus auf die Straße, zuversichtlich, dass es bald geschafft ist.

Ich frage mich, wie es wohl ist so als Zahnarzt. Ob man nicht ganz oft lachen muss, weil man die Patienten da so in unwürdigen Positionen sitzen hat und ihnen im Mund rumfuhrwerkt. Also ich wäre lieber Zahntechniker, als Zahnarzt. Ganz klar.

Als der Abdruck fest ist und entfernt wird, stelle ich mir vor, wie alle meine Zähne einfach darin kleben bleiben. Es fühlt sich nämlich ein bisschen so an. Ich muss wieder lachen.

Schließlich muss ich noch auf Wachsplättchen beißen und bekomme eine provisorische Krone auf die Verstümmelung gesetzt.
Wenige Tage später werde ich angerufen. Ich muss leider nochmal kommen. Der Zahntechniker ist nicht mit dem Abdruck zufrieden. Wie soll es auch anders sein.
Ich radel wieder hin. Bin auf nur einen neuen Abdruck machen eingestellt. Aber ich sehe schon wieder eine Spritze bereit liegen.

Ergeben sperre ich das Maul auf und lasse mir nochmal am Zähnchen und Drumherum nacharbeiten. Ist ja klar, dass ICH wieder so einen komplizierten Fall darstelle. Ich kann Kinder zu Hause gebären, aber so ganz einfache medizinische Dinge, wie eine Krone machen, gestalten sich als kompliziert. Typisch.

Also wird dann nochmal ein Abdruck gemacht, der jedoch einen Fehler hat. Mein Zahnfleisch hat sich gewehrt und etwas geblutet. Ich bekomme ein ziemlich ekliges Medikament auf die blutende Stelle getupft und muss warten. Ich traue mich nicht zu schlucken und verharre regungslos. 3 Minuten können sehr lang sein, wenn man einen ekligen Geschmack im Mund hat und nicht schlucken will. Schließlich ahnt die Zahnarzthelferin, dass ich einen kleinen Spucke-Medikamenten-See in meinem Mund gesammelt habe. Sie sagt, ich dürfe ausspucken, aber NICHT spülen. Dann wird ein neuer Abdruck gemacht. Ich habe keine Lust nochmal diese Pastenmauslsperre zu ertragen. Aber ich tue es natürlich trotzdem.

Ich verlasse schließlich die Praxis mit lila Gummifäden an Hals und Gesicht.

In der zweiten Woche mit provisorischer Krone muss ich selbst Hand anlegen und den fast verschluckten Zahnersatz mit Zahnpasta neu festkleben. Ich habe keine Lust zum Zahnarzt zu fahren und kaue nur noch auf der anderen Seite. Da vergeht einem ja die Freude am Essen.

Die richtige Krone wird mir schließlich ganz unspektakulär verpasst. Das Knöpfchen sitzt auf dem Besucherstuhl und guckt ernst und interessiert zu. Ich gebe ihr aufmunternde Handzeichen, da ich ein paar Minuten die Zähne aufeinander beißen muss, wären der Zement trocknet.

Jetzt bin ich erstmal froh, dass das Prozedere vorbei ist und erfreue mich an diesem blitzeblanken Beißerchen. Ich will mir jetzt mal ein Mittagessen machen und erproben, ob es sich auch gut damit kaut.

Dabei denke ich darüber nach, warum Zahnärzte einen eigentlich immer dann etwas fragen, wenn man gerade sämtliche Aparaturen im Mund hat und nicht sprechen kann.

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