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Neues vom wilden Mädchen (Sirenchen)

Das Sirenchen schreit und sorgt für sich.

„Liebes Sirenchen, warum musst du denn immer SOOO laut schreien?“

„Ich kann nicht leise weinen!“

„Ja.“

Blöde Frage. Ich weiß. Seit der Geburt.
Sie kann es wirklich nicht. Sie schreit mit jeder Faser ihres Körpers ihren Kummer, ihre Wut, ihre Verzweiflung, ihre Irritation, ihre Angst, ihren Schmerz und ihren Frohsinn und Übermut hinaus in die Welt. Von Anfang an.

Jede Nuance, die eine Lautäußerung hervorbringen kann, wird auch als Lautäußerung getätigt. Es ist so wahnsinnig, tinnitusbringend und auch schön zu gleich. Es bleibt keine Emotion im Kind stecken. Ich würde das als sehr gesund bezeichnen und möchte das auch grundsätzlich nicht unterdrücken.
Ich würde dennoch gerne mal die Dezibelzahl messen. Jedenfalls zu Hause. Unterwegs geht es noch gemäßigt zu.
Ich kann hören, welche Art von Weinen und Schreien ich präsentiert bekomme. Müde, maulig, trotzig, sauer, verzweifelt, ängstlich, froh und übermütig. Ich kenne die Unterschiede und liege in 99% der Fälle richtig. Ich weiß nicht immer warum, aber ich weiß, ob es ernst ist.
Es klingt anders und die Tränen dazu sind dick wie Straußeneier. Es rührt mich jedes Mal sehr, wenn das Sirenchen ernsthaft bestürzt ist.
Viele Nuancen ihres Schreiens haben oft mit Wut und Unmut zu tun, das beruhigt sich am schnellsten, wenn man zwar da ist, sie aber in Ruhe lässt.
Eine Zeitlang (zwischen 2 und 3,5 Jahren) hatte sie so krasse Ausraster, dass sie nicht mehr aufhören konnte zu schreien und auch gar nicht mehr ansprechbar war und sozusagen gefangen in ihrem Gefühl. Da half es dann, wenn ich sie fest an den Schulter nahm und ebenso laut wie sie, einmal ihren Namen brüllte und so etwas wie: Hör auf!
Dann war es, als erwachte sie aus einem tranceähnlichen Zustand.
In einigen ganz normalen Situationen, die mit einem Minimum an Verständigung schnell gelöst wären, wünsche ich mir, dass sie statt sofort laut zu plärren und unverständliches Genuschel hervorzuspressen, in halbwegs normaler Lautstärke und deutlich sprechen würde. Was sie tadelos kann! Aber oft einfach nicht will. Bzw sie tut sich schwer ihr Innenleben zu verbalisieren. Es ist leichter einfach zu brüllen.

Was sie hingegen auch sehr gut kann ist schweigen und starren und nicht hinhören. Sie schaut einen dann mit großen Augen an oder durch einen hindurch und man hat das Gefühl das Sirenchen sei taub. Keine Reaktion. Und dann „erwacht“ sie manchmal aus diesem Starren und fragt: Was hast du gesagt?
Ich kann das gar nicht richtig beschreiben. Das muss man erleben. Wir kennen das familienintern schon sehr gut und meine Mama sagte ganz richtig: Das hat sie von ihrem Papa. Der kann das auch.

 

Hinzu kommt, dass das Sirenchen seit einem halben Jahr tatsächlich schlecht hört, wenn sie erkältet ist. Dann versteht sie einzelne Worte nicht richtig und fragt nach. Kommt dann ihre: Ich schalte mal auf Durchzug-Art noch dazu, mutet es sehr merkwürdig an.

Als neue Erweiterung diesen Repertoires gibt es dann noch diese Reaktion:
Wenn man ihr etwas mitteilen möchte,  was sie ärgert oder nicht hören möchte, dann hält sie sich die Ohren zu oder dreht sich um und schreit: Ich hör dir nicht mehr zu! Ich weiß das, du sollst das nicht sagen!
Das Kind sorgt gut für sich. Das kann man nicht anders sagen. 😀


Nun fällt im Kindergarten in letzter Zeit öfter auf, dass sie an den gemeinsamen Spielen im Morgenkreis nicht mitmacht. Vor allem bei neuen Spielen. Es scheint, als hört sie nicht richtig. (Die Nase ist auch immer verstopft. Ich hatte das auch wieder vermehrt beobachtet zu Hause.) Sie weiß dann scheinbar auch nicht, was los ist. Oder was sie machen soll. Sie bekommt offenbar das Geschehen nicht richtig mit. Die gemeinsamen Spiele und Aufgaben im Kindergarten kann sie offenbar nicht mitmachen. Ähnliches wurde mir vor einem Jahr etwa schon mal zugetragen. Das Phänomen verschwand dann aber wieder.

Ich war nach dieser Rückmeldung etwas verunsichert. Und auf Anraten, machte ich mal einen Termin bei einem Pädaudiologen. Der kontrolliert etwas umfassender die Hörfähigkeit und Wahrnehmung bei Kindern, als der Kinderarzt. Der Termin ist leider erst im Juni. Wir müssen also warten.
Dezent zart besaitet an dem besagten Tag, habe ich mal kurz geweint und dachte: Mein armes Mädchen! Vielleicht ist ja wirklich was mit den Ohren und der Wahrnehmung und vielleicht ist sie deshalb auch immer so laut. Und ich Trottel habe das all die Jahre immer fehl interpretiert und gedacht, es ist ihr Wesen. Das arme Kind. Oh nein, oh nein, oh nein.
Wie so ne Mama, halt. 😀 Emotional komplett durchgeschüttelt und aus dem Konzept gebracht.

Noch am gleichen Tag besuchten wir das erste Mal einen Turnkurs. Das Sirenchen sollte mal ausprobieren, ob ihr das gefällt. Bisher war sie nämlich nicht dazu zu bewegen irgend einen Kurs mit zu machen. Nicht mal den Judokurs im Kindergarten konnte man ihr schmackhaft machen. Unüberhörbar verweigerte sie sich vor der zweiten Probestunde schon.

Ich war etwas in Sorge, ob der Turnkurs dann mit den Ohren-Wahrnehmungsproblemen nicht auch blöd für sie wäre. Eine Turnhalle voller Kinder…..da geht ja viel unter in dem Trubel. Da hört man vielleicht auch nicht gut.
Hinzu kommt, dass das Sirenchen an trubeligen Tagen mit vielen Leuten auch gerne mal fragt: „Können wir wieder nach Hause fahren? Es ist mir zu voll.“  Viele Menschen in neuen Situationen scheinen sie schon irgendwie anzustrengen.
Nun saßen wir Mamas beim Turnen oberhalb der Halle und konnten durch ein gläsernes Geländer alles überblicken.
Ich beobachtete das Sirenchen sehr genau. Würde sie sich zurecht finden in der neuen unbekannten Umgebung mit den vielen Kindern und der Lautstärke? Es war ein Parcours aufgebaut, den es galt durch verschiedene kleine Aufgabenstellungen der Turnlehrerin zu durchlaufen oder in verschiedenen Spielen mit zu integrieren.

Was ich sah war ein fröhliches, begeistertes Mädchen, konzentriert und voll bei der Sache. Sie hörte und verstand die kleinen Aufgabenstellungen sofort beim ersten Mal, lief mit vorne weg. Keine Spur von Desorientierung und sie reagierte auf jedes Wort der Turnlehrerin, auch wenn sie beide jeweils am anderen Ende der Halle waren und die anderen Kinder lärmten.
Das Kind hört. Und zwar gut. Es versteht auch. Und zwar gut. Und hatte einen riesen Spaß. Trotz Schnupfennase.

Meine vorläufige Schlussfolgerung, die im Grunde auch meine bisherige Einschätzung der Hör-und Wahrnehmungsfähigkeit unterstreicht, ist: Das Sirenchen macht im Kindergarten vielleicht absichtlich nicht mit, weil ihr die Spiele zu blöd sind. Oder sie einfach erstmal gucken möchte, ob ihr das gefällt. Oder weil es ihr zu langweilig ist. Oder sie keine Lust hat. Oder weil sie gemerkt hat, dass sie eine Extrawurst bekommt, wenn sie nicht „hört“.
Ich habe sie nach dem Turnen auch mal investigativ dazu befragt und ihre Antworten verstärkten meinen Verdacht.

Trotzdem nehme ich den pädaudiologischen Termin wahr im Juni. Schaden kann es auf keinen Fall. Und damit wird dann meine Vermutung bestätigt oder eben doch nochmal auf den Kopf gestellt. Dann weine ich vermutlich schon wieder. 😀


Und noch was bestätigt, dass das Kind gut für sich sorgen kann, sich aber dadurch auch manchmal das Leben schwer macht. Wir sahen uns heute noch einen anderen Turnkurs in einer anderen Halle mit einer anderen Turnlehrerin an. (Der erste Kurs ist nämlich eigentlich voll.) Das Sirenchen kündigte schon im Vorfeld an, sie wolle nicht zum Turnen. Und vor Ort schmiss sie bereits nach 5 Minuten die Sirene und die Tränenmaschine an und war nicht mehr dazu zu bewegen die Halle wieder zu betreten. Sie nannte als Grund die Haare der Kursleiterin. Ich denke, das war nicht der wahre Grund. Sie kann es einfach nicht benennen, was sie gestört hat.

Ich respektiere ihre Entscheidung jedoch. Sie sagte zu dem anderen Kurs wolle sie gerne wieder hingehen. Die Turnlehrerin mochte sie. Aber diese heute auf keinen Fall.

Somit sahen wir durch die Glastüre dem Knöpfchen beim Turnen zu. Das kleine freche Mädchen hatte nämlich keine Probleme mit „den Haaren“ der Kursleiterin und war voller Elan und ohne Scheu dabei.

9 Antworten auf „Das Sirenchen schreit und sorgt für sich.“

Sicher ist ein Termin beim Facharzt nicht verkehrt, aber wart Ihr auch mal beim normalen HNO? Das was Du schilderst hat Mausi nämlich auch und bei ihr sind es wahrscheinlich die Polypen. Liebe Grüße, Nicole.

Beim HNO waren wir noch nicht. Da sie sprachlich fit ist und bis auf die Erkältungsphasen durch die Nase atmet (auch im Schlaf), denke ich, sind die Polypen das kleinere Problem. Ich bin recht sicher, dass ihr Wille bzw Unwille eine weit größere Rolle spielt. 🙂 Ich warte mal den Juni ab.

Mein Freund hat mich mal zum Ohrenarzt geschickt, weil ich wohl nicht richtig höre. Seine Kommentare haben mich irgendwann so genervt, dass ich wirklich hin bin. Der Arzt hat meine Ohren getestet und meinte, ich höre einwandfrei, ich will wohl manchmal einfach nicht hören und schalte ab… 😉 Manchmal braucht das Gehirn halt eine Pause. 🙂

Liebe Grüße,
Lara

Mein großer hat ähnliche Verhaltensweisen vom damaligen Kindergarten bescheinigt bekommen. Er würde „durch die Erzieher hindurch schauen“, „irgendwie nicht richtig hören und reagieren. Usw…
Ich war auch sehr besorgt. Alle Hörtest und Sehtests waren einwandfrei.
Er ist sehr sensibel. Ich weiß jetzt, dass er einfach die Schotten dicht macht, wenn ihm alles zu viel ist. Lg

Ich würde aber noch versuchen mehrere Situationen zu beobachten, Kinder sind so verdammt gut darin zu kompensieren indem alle möglichen anderen Informationen (Gestik, Kontext, etc) verwertet werden.
Auch ist der Termin beim Hörtest sicherlich nicht verkehrt, spätestens zur Beruhigung der eigenen Bedenken.
Bei meinem 5jährigen Ältesten (hier springen auch noch eine 3jährige und ein 11monatiger rum) gab’s leider kein Happy End, ein simpler Virus hat bei ihm innerhalb kürzester Zeit eine Schwerhörigkeit des Innenohrs (Cochlea) verursacht. Aber auch dann heißt es Tränken abwischen, Krone richten und jetzt ist er seit zwei Wochen mit Hörgerät unterwegs. O-Ton Kindergartenkumpel: voll cool!

Hallo Petra,
und Mitstreiterin im 3 Kleinkind-Zirkus. 😀 Ich freu mich immer. 🙂
Ja, ich beobachte das Kind genau. Allerdings antwortet sie mir auch auf flüsternd gestellte Fragen, wenn ich hinter ihr stehe und wir keinen Blickkontakt haben. Es würde mich wundern, wenn was wäre.
Ich kenne auch ein Kind, dass von einem Virus so eine Hörschädigung behalten hat und nun mit Hörgerät unterwegs ist. Das ist ja tatsächlich mittlerweile toll mit den kleinen und feinen Geräten. Da kann man gut mit Leben.
Da hätte ich auch keinen Stress mit. Mir täte es Leid, wenn ich das Sirenchen die ganze Zeit falsch eingeschätzt und sie deshalb sozusagen gelitten hätte.

Liebe Grüße 🙂

Ja ja die kleinen Mäuse wissen genau wie sie es machen müssen…manchmal ist es sehr schwer konsequent zu bleiben!

Ich erkenne auch ganz genau, wann wirklich was ist….die dicken Kuller-Tränen sind meistens immer gespielt! Man hört es eigentlich ganz genau heraus wenn das eigene Kind Bedürfnisse hat!

Ich drücke dir die Daumen das bei den ganzen Ärzten etc. nichts fest gestellt wird! Lg und eine schöne Woche euch!

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