Ein paar Gedanken
Ich habe schon mal erwähnt, dass ich Grundschullehrerin bin/war und dass ich einen ganz guten Überblick gewinnen konnte über diverse Schulstandorte, unterschiedlich geführte Schulen und die sehr heterogene Schülerschaft.
Ich habe mich im Übrigen wahnsinniger Weise ganz bewusst gegen eine Verbeamtung entschieden, da ich mit dem Bildungssystem nicht glücklich bin. Zu viele Dinge sind unausgewogen und laufen nicht rund. Mein persönlicher Unmut wäre größer, als der Nutzen diesem Apparat anzugehören.
Das Aufgabenfeld eines/er Grundschullehrers/in ist nämlich ziemlich umfassend.
Man steht 6 Uhr 30 auf, damit man um 7:45 oder früher in der Schule ist. Dort erwarten einen ziemlich viele sehr unterschiedlich Persönlichkeiten mit sehr unterschiedlichen Grundvoraussetzungen. Da gibt es Kinder um die sich zu Hause überhaupt niemand kümmert. Es gibt Kinder, die überbehütet werden und „Helikopter Eltern“ haben. Es gibt die ganz „normalen“ Kinder. Es gibt verhaltensauffällige Kinder, Förderkinder, laute Kinder, leise Kinder, schlaue und weniger schlaue Kinder. Es gibt Kinder, die können sich nichtmal die Schuhe allein zubinden oder schaffen es gerade so sich nach dem Sport-Unterricht alleine wieder anzuziehen. Oftmals hat man das Gefühl man bekommt Schüler vorgesetzt, die man dann erstmal erziehen muss. Es gibt Kandidaten, die scheinen zu Hause noch keine einzige Grenze erfahren zu haben und spielen die absoluten Egozentriker.
Es ist nämlich in vielen Köpfen die Aufgabe vom Lehrer/innen zu erziehen. Fragt sich, wieso Lehrer/innen dann nicht auch einfach Erzieher/innen heißen. 😀
Jedenfalls muss man diese heterogene Truppe zu einer halbwegs vernünftigen Klassengemeinschaft zusammen führen. Tatsächlich auch Erziehungsarbeit leisten. Das braucht Zeit, Übung, Konsequenz und viel Herzblut. Dann muss man Arbeitstechniken vermitteln und Kompetenzen in allen erdenklichen Bereichen. Die Grundrechenarten und Lesen und Schreiben vermitteln. Das alles unter immer wieder neuen Reformen und Ideen. Man muss Pläne schreiben und entwickeln. Berichte schreiben und auswerten. Man macht nachmittags noch Hausaufgabenbetreuung oder AGs, trifft sich im Team, hat Konferenzen oder andere Sitzungen und was es noch so gibt.
Viele Grundschulen sind ohne Schulleiter/innen. Die Aufgaben der Schulleiter/innen sind auch einer wachsenden Flut bürokratischer Abläufe unterworfen, die dann an führungslosen Schulen unter dem Kollegium verteilt werden und/oder stundenweise von einem/er Schulleiter/in einer anderen Schule übernommen werden müssen.
Daneben plant man seinen Unterricht, bereitet vor und nach, führt Elterngespräche und hat immer irgendetwas vorzubereiten. St. Martin, Karneval, Sportfest etc..
Als besonderer Bonus kommen sehr menschliche Aufgaben wie Körperausscheidungen aller Art entfernen dazu. Jaja, das ist ein unangenehmes Thema. Aber der Hausmeister ist nicht immer direkt zur Stelle und vor allem Erst- und Zweitklässler lässt man weder in Pipi, noch Kaka noch Kotze sitzen. Da putzt man schon mal was weg und erledigt Aufgaben, die das Kind gewiss lieber von der Mama gemacht bekäme. Man telefoniert den Eltern hinterher, die natürlich auch was zu tun haben, wenn ein Kind krank ist. Man macht Läusekontrollen.
Man ist Ansprechpartner, manchmal Sozialarbeiter und Lehrer. Ich finde es ist ein vielseitiger und anspruchsvoller Job.
Ein/e Primarstufenlehrer/in macht die Kinder zu den Schülern, die später auf die weiterführenden Schulen gehen. Deshalb brauchen Grundschulen immer genug Lehrer, manchmal auch bessere Lehrer, weniger Bürokratie und vor allem eine klare Linie! Dazu müsste aber auch eine starke Schulleitung für jede Schule gegeben sein.
Als weiteres sehe ich, dass für Rüstung, Bankenrettung, fragwürdige Energiekonzerne etc Geld ausgegeben wird und gleichzeitig ein großer Teil der Schüler auf Uralt-Toiletten gehen müssen. Zwar geputzte, aber so alte Waschräume, dass es IMMER stinkt und eklig ist. Da wollte ich nicht drauf müssen. Da müssen die Kinderchen aber hin. Es ist angeblich kein Geld da!
Schulflure veröden. Der Putz bröckelt, es wird geflickt, aber nicht neu gemacht. Privat organisierte Anstreichaktionen scheitern oft an der Bürokratie. Neue Ideen scheitern oft an der Bürokratie. Und habe ich schon gesagt: Für Schulen ist kein Geld da!?
Die Lehrerzahl an jeder Schule hängt von der Schülerzahl ab. Da wird manchmal ganz schön hin und her gerechnet. Da geht es oft um ganz wenige fehlende Schüler, die eine weitere Lehrerstelle erhalten würden. Drei Schüler weniger im nächsten Jahr: Zack, wird ein Lehrer abgezogen, verschoben wie eine Marionette. Ob dadurch an der „alten“ Schule ein funktionierendes Team auseinander gerissen wird, sich das Kollegium neu sortieren muss und am schlimmsten: dass Schüler eine Bezugsperson verlieren, darüber wird nicht nachgedacht.
Und letzteres ist ganz furchtbar.
Vor allem im Zuge der nun eingeführten Inklusion ist das ein Desaster. Gerade integrative Klassen und der Brennpunkt brauchen eine Kontinuität an Bezugspersonen. Das sind nun mal die Klassenlehrer und Sonderpädagogen. Ein Team aus Klassenlehrer und Sonderpädagoge würde ich grundsätzlich jeder Grundschulklasse zuteilen. Und das am besten kontinuierlich von Klasse 1 bis Klasse 4. Ohne Lehrerwechsel! Ein Team kann die heterogene Schülerschaft wunderbar unterrichten. Und dann ist es auch noch Herausforderung genug. Die Arbeit wird dadurch nicht weniger, aber wesentlich effektiver und für alle zufriedenstellender.
Es gibt natürlich auch eine gewisse Zahl an Lehrern, die es besser nicht geworden wären, für die das Beamtentum eine bequeme Hängematte ist. Die weder Empathie noch Sozialkompetenz besitzen. Die mangelnden Kompetenzen dieser Lehrer müssen die guten Lehrer alle ausgleichen. Und die guten Lehrer sind engagiert und oft am Limit. Da helfen auch die ganzen Ferien nicht. Wer das nicht glaubt, kann es gerne mal ausprobieren.
Ich bin übrigens sofort mit dabei, wenn sich da mal vernünftig und konstruktiv etwas verändert. Bzw Ideen und Veränderungenswünsche nicht an der Bürokratie scheitern.
4 Antworten auf „Über Lehrer und Schule“
Liebe Beatrice, ich bin sehr froh, dass du diesen Artikel verfasst hast. In unserem System läuft wirklich etwas falsch. Leider gibt es zu wenig engagierte Lehrer wie du es bist, bzw. ich kenne einige die ihren Enthusiasmus einfach verloren haben, weil sie keine Energie mehr hatten gegen alles mögliche anzukämpfen. Das ist sehr, sehr traurig. Von den Exemplaren mal ausgenommen, die nur aufgrund der Verbeamtung Lehrer geworden sind. Das finde ich noch viel tragischer. Da höre ich dann so Sätze wie: Wenn ich keine Lust auf Unterricht habe, lege ich eine DVD ein (am besten noch die Verfilmung der Lektüre) und die Schüler müssen sich dann Notizen machen. Das füllt mindestens ganze vier Stunden. #shakehands #kopfschüttel #highfive #pädagogischwertvoll #nicht! Das ist wirklich traurig. Das sind auch die Exemplare, die immer am lautesten stöhnen, wie viel sie leisten und wie froh sie sind, dass das wenigstens monitär entsprechend vergütet wird.(Die kommen dann aber auch nicht aus sozialen Brennpunkten, sondern unterrichten an sehr gesitteten z.b. altsprachlichen Gymnasien). Ich selbst hatte wunderbare Lehrer, die mich motiviert haben, die mich beflügelt und inspiriert haben, aber ich hatte auch Kandidaten mit der Null-Bock-Einstellung! Es gibt immer die schwarzen Schafe. Ich gebe Dir zu Hundertprozent recht, das Sytem ist nicht ausgereift. In der Gesellschaft wird oft nicht gewürdigt, was ihr alles leistet, eben weil es so viele schwarze Schafe gibt. Es ist eine Herausfoderung eine Klasse mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen zu führen, allen Kindern und Schülern gerecht zu werden. Manche barauchen den Halt in der Schule, weil sie eben zuhause keinen erhalten. Deinen Vorschlag mit einem Team von Lehrern plus einem Sonderpädagogen finde ich ganz wunderbar. Konstanten sind für Kinder wichtig, sie helfen zu wachsen und sich zurechtzufinden. Und ja, Erziehung ist eigentlich die Aufgabe der Eltern, ihr Lehrer dürft dann oft das ausbaden, was letztere versäumt haben. Danke für deinen tollen Artikel! Alles Liebe Anna
Liebe Anna,
danke für deinen ausführlichen Kommentar. Was du da beschreibst habe ich auch alles schon gesehen und gehört. Die „schwarzen Schafe“ würden vielleicht auch weniger, wenn Lehrer generell im Team arbeiten würden.:-)
Viele sehr gute Lehrer brennen aus oder werden krank. Das Ausgebremst werden, wenn man eine Idee zur Verbesserung hat, macht so ohnmächtig. Es gäbe auf jeden Fall viel zu tun, bevor man dann auch noch mit so tollen Ideen wie der Inklusion anfängt! Die Inklusion ist eine gute Sache, aber leider nicht vernünftig durchdacht. Unter den derzeitigen Bedingungen sehe ich da leider ein hohes Frustpotential. Mal sehen, was in den nächsten Jahren so passiert.
lg B
Oje…das Thema „Schule“ liegt mir zur Zeit auch schwer im Magen.
Wir haben eigentlich nur eine Grundschule, die (aufgrund der Entfernung) in Frage kommt, leider…ich weiß nämlich nicht, ob ich wirklich glücklich mit dieser Schule bin.
Es handelt sich um eine OGS und es gibt nur 2 Optionen: Kinder bis 16 Uhr da lassen ohne die Möglichkeit, sie auch mal früher abzuholen oder Abholzeit um 14 Uhr nach dem Mittagessen, das für alle PFLICHT ist (…und täglich 3,40€ pro Kind kostet!!!). Finde ich alles doof. Bis jetzt gehen meine Zwillinge bis 12 Uhr in den Kindergarten und essen Zuhause.
Die Umgewöhnung wird sicher ziemlich krass.
Als wir das „Vorstellungsgespräch“ in der Schule hatten (die Schuluntersuchung haben wir erst Ende Mai), fand ich alles ziemlich konfus und etwas unorganisiert…die bisherige Schulleiterin ist letztes Jahr in Rente gegangen und es ist wohl noch nicht ganz klar, wer das zukünftig machen wird. Zwei junge Frauen wuselten herum, als wir mit den Kindern zu dem Termin kamen; eine schnappte sich direkt meinen Sohn und schob ihn Richtung Büro mit den Worten „da brauchst du Mama doch wohl nicht, oder?“- niemand hat sich uns vorgestellt, was eigentlich seine Funktion ist oder so. Danach war meine Tochter an der Reihe. Die Frau (zukünftige Direktorin?man weiß es nicht)war sehr angetan von meinen Kindern, dass die schon so toll die Formen und Farben benennen können (…?!die sind 6 Jahre alt…).Am Schluss drückte man uns noch einen Wust an Formularen zum ausfüllen in die Hand und schob uns mehr oder weniger auf den Flur, weil der nächste Termin wartete. Fragen oder so waren wohl nicht vorgesehen.
Da ich auch keine Informationen dazu habe, wie das an der Schule gehandhabt wird, überlege ich nun hin&her, ob ich meine Zwillinge in verschiedenen Klassen haben möchte oder nicht- es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen, aber auch einiges, was dafür spricht.
Des weiteren finde ich zum k…, dass in der OGS dieses fürchterliche „Schreiben nach Gehör“ praktiziert wird- meiner Meinung nach gehört das verboten (wie es ja schon in einigen Bundesländern passiert ist)!! Aber man hat ja leider überhaupt keinen Einfluss darauf. Jedenfalls werde ich mich auf keinen Fall daran halten, die Fehler nicht zu korrigieren. Was hältst Du als Grundschullehrerin denn von dieser Methode?
LG
Andrea
Oh je. Ja, die liebe Schule. Das ist echt ein Ding.
Dass die Kolleginnen wenig Zeit hatten, liegt am System. Es gibt zu wenige Lehrer und zu viele Aufgaben, die die Lehrer auf einmal bewerkstelligen müssen. Und ohne Schulleitung ist eine Schule immer aufgeschmissen, weil das Kollegium das anfangen muss. Das ist nicht schön, da wäre ich aber milde mit den dortigen Lehrern. Die machen es sicherlich, so gut sie können.
Was die OGS angeht….ich finde das auch schwierig. Und deshalb kommt mein Sohn auch dankbar nach der Schule direkt nach Hause. Für uns ist es zum Glück im Moment jedenfalls machbar, aber schränkt natürlich ein. Für ihn ist es hingegen super. Er wollte auch nicht länger in der Schule bleiben. Andere Kinder hingegen finden das super. Vielleicht hast due Glück mit deinen Zwillingen.
Ob die beiden in getrennte Klassen gehen oder nicht, würde ich auch davon abhängig machen, wie wohl sie sich fühlen. Ich hatte schon beides. Zwillinge in einer Klasse und welche, die getrennt in zwei Klassen waren. Hängt von den Kindern ab, würde ich auch genau beobachten und im Zweifelsfall nachträglich auf eine Veränderung bestehen.
Lesen durch Schreiben und umgekehrt ist eine schöne Sache, WENN sie denn von Rechtschreibübungen begleitet wird. Man muss verbessern, sonst endet es in einer Katastrophe. Man kann es den Kindern auch gut erklären, warum das wichtig ist. Und mit dem passenden Material und spielerisch ist das auch nicht demotivierend. Also verbessere ruhig. Sprich überdeutlich vor. Klatsche die Silben. Und für die Endungen frage ich immer nach der Mehrzahl. z-B. die Hand….da hört man als Kind nicht ob d oder t. Wenn man aber die Mehrzahl bildet, hören sie es meist selbst.
So, ich könnte lange weiter schreiben über die Schule. Aber ich muss jetzt Muffins aus dem Ofen holen. Der Kindergeburtstag steht vor der Tür. 🙂