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Erziehung und Realität

Wir waren das erste Mal im Schwimmbad. Eine Premiere.

Wir waren heute das erste Mal so richtig im Schwimmbad mit drei Kindern. Ernsthaft.
Wieso wir vorher nicht schwimmen waren beruht auf einer längeren Geschichte.
Ich habe nämlich ein zwiegspaltenes Verhältnis zu Wasser. Aus vielerlei Gründen.

Generell war es schon immer so, dass ich mich schwer überwinden konnte ins Wasser zu gehen. Ich friere nämlich schnell und habe selten das Gefühl zur Abkühlung schwimmen gehen zu müssen. Saunen ist da eher was für mich. Wenn ich dann im Wasser drin bin, finde ich es richtig super.
Ich muss mich also per se immer erst einmal überwinden, es sei denn es sind mindestens 30 Grad im Schatten.
Zudem mag ich die nassen und kalten Badekleider nicht so gern auf der Haut. Unangenehm. Und wenn ich aus dem Wasser raus komme, friere ich auch schon wieder und habe das dringende Bedürfnis mich möglichst schnell und möglichst fettig einzucremen.
Da kommt im Vorfeld schon wenig Elan bei mir auf.

Ein weitere Punkt ist aber, dass ich als Kind für manche Dinge auch so meine Gewöhnungszeit brauchte. Wasser war für mich faszinierend, aber es flößte mir auch Respekt ein. Ich bin nicht gut im Luftanhalten und mich grauste es davor unter zu tauchen. Viele der genannten Punkte haben wahrscheinlich den Ursprung in dieser Geschichte:
Als ich im Kindergartenalter war, hatte mein Vater einst ein Kanu erworben. So ein richtiges Indianerkanu. Es sah jedenfalls so aus. Eigentlich eine coole Sache. Mein Vater wollte dieses Gefährt mit mir auf einem kleinen und ruhigen Flüsschen ausprobieren. Ich wollte eigentlich nicht so gerne. Aber das wurde mal von jugendlicher Abenteuerlust übergangen (Mein Vater war damals erst Anfang 20. Es sei ihm verziehen.)
Ich wurde trotz meines Unbehagens in dieses Kanu gesetzt und es ging los. Schon kurz darauf stieß das Kanu an einen dicken Stein und geriet ins Schlingern, mein Vater schwang ein Bein aus dem Boot und wollte das drohende Kippen aufhalten und rutschte aus. Er konnte sich noch fangen und stand dann in dem recht flachen Wasser. Ich aber kippte mit dem Kanu um. So unter Wasser. Mein Vater drehte es sofort wieder richtig rum und fand mich stocksteif nur patsch nass triefend im Kanu sitzend wieder. Ich hatte mich die ganze Zeit krampfhaft am Kanurand festgehalten und nicht los gelassen.
Das war zwar sehr praktisch und eine gewisse Komik bei der Vorstellung kann ich nicht abstreiten, jedoch fand ich das überhaupt nicht erquickend. Ich, die ich doch ohnehin etwas kritisch diesem Element gegenüber war, war alles andere als amused. Ich schmiss dann wohl auch schnell die Sirene an und weil nun mal meine Kleider durchnässt waren und die Jahreszeit eher kühl, wurde das Abenteuer jäh beendet. Ich war sehr dankbar.
Jedoch träumte ich jahrelang immer wieder, ich müsste an diesem Gewässer spazieren und würde von unsichtbarere Kraft in dieses Wasser gezogen.
Ich muss nicht lange ausbreiten, dass ich danach vor allem trüben Gewässern nicht viel abgewinnen konnte und sich meine Scheu dem Element Wasser gegenüber verstärkt hatte. (Noch heute sehe ich dieses Flüsslein in trostlosem Bachlauf bei grautrüben Wetter vor meinem geistigen Auge.)

Ich lernte dennoch Schwimmen. In kleinen Schritten. Meine Großtante war geduldig. Meine Kindergärtnerinnen auch. Meine Schwimmlehrerinnen in der Grundschule wirkten bisweilen etwas angestrengt. Im Nichtschwimmerbecken fühlte ich mich bald wohl und plantschte munter. Aber ich war nur schwer ins tiefe Wasser zu bewegen. Ich erinnere mich daran, dass ich mich immer an einem der Erwachsenen festhalten sollte und sie mit mir im Tiefen am Rand entlang schwammen, damit ich meine Angst verlor. Es war ein furchtbares Gehampel. Ich hatte Angst und gleichzeitig war es mir unangenehm.
Aber auch ich machte in der Grundschulzeit dann doch noch die gängigen Schwimmabzeichen, wobei man beim Tauchen beide Augen zu drückte. Und der erste Sprung vom drei Meterbrett war auch der Horror für mich. Ich habe zwei Schwimmstunden dafür verbraucht mich zu trauen. Ich hatte Angst, ich tauche nicht mehr aus dem tiefen Wasser auf.

Später dann, als Teenager, sprang ich gerne  Saltorückwärts vom Beckenrand ins Tiefe und tobte ausgelassen im Wasser. Aber es hat gebraucht. Und das beliebte Spiel sich gegenseitig unterzutauchen blieb mir ein Graus. Da hatte ich das Tauchen ja nicht unter meiner Kontrolle.

So, und da bekam ich also irgendwann drei Kinder. Babyschwimmen machten einige andere Mütter in meinem Umkreis. Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Ich fand es unpassend einen Säugling in der Chlorplörre einzuweichen und die Akustik in so einem Schwimmbad stelle ich mir auch für einen Säugling unheimlich vor. Es ist laut und hallt. Naja. Egal. Das war meine persönliche Meinung, die rein subjektiv ist. Der Sohn wurde also gebadet. Zu Hause. Ein halbes Jahr war das super. Dann wollte er das garnicht mehr. Da geh ich dann doch auch nicht ins Schwimmbad, wenn schon die heimische Badewanne mit knöcheltiefem Wasser zu Panik führt.
Schließlich kam das Sirenchen dazu. Ich traute mir nicht zu mit einem Säugling und mit einem nur 18 Monate älteren Kleinkind alleine schwimmen zu gehen. Zudem gab es genug Abwechslung und Plantschbecken bei Oma im Garten, wenn es heiß war. Wir kamen so zurecht. Tatsächlich waren wir ein einziges Mal als Familie mit zwei Kindern im Freibad. Der Sohn rannte stets geschwind zum Schwimmerbecken und wollte dort hinein. Und das Sirenchen konnte gerade laufen und rutschte im Kinderbecken ständig aus. Ich fand´s nicht entspannt. Auch nicht zu zwei Erwachsenen.
Dann kam das Knöpfchen dazu. Weder Schwanger mit 2 Kleinkindern, noch mit 3 Kindern ging ich alleine schwimmen. Und da in dieser Phase auch wieder viele andere Dinge Vorrang hatten, blieb es beim Plantschbecken im Garten.

Aber heute. Heute haben wir uns durchgerungen.
Und es war sowohl erheiternd als auch schön.

Auf der Fahrt zum Schwimmbad erklärte ich den Kindern, wie es dort aussieht. Dass sie nicht ins tiefe Wasser springen dürften und und und. So waren mental alle schon mal eingestimmt. Im Schwimmbad selbst konnte man, wie bei den meisten Bädern, vom Eingangsbereich durch eine riesen Glasfläche in die Halle schauen. Unsere drei Wunderblümchen drückten sich minutenlang staunend die Nasen platt.
Stumm und mit großen Kulleraugen folgten sie in die Umkleidekabinen, staunten auch bei den Garderobenschränken und in den Duschen erst recht. Wir betraten den Duschraum (der Sohn wollte auch mit der Mama gehen :-)). Das Knöpfchen wollte auf meinen Arm. Denn es mag das Brausen von Duschen nicht. Es ist ihr zu laut! Das Sirenchen und der Sohn standen erstarrt mitten im Raum. Nachdem wir geduscht hatten, trafen wir in der Schwimmhalle den Herrn Papa und ließen uns recht zügig im Nichtschwimmerbecken zu Wasser.
Als wären wir mit Klebstoff bezogen, klammerten alle drei Kinder erstmal an uns. Das Knöpfchen hielt mich gar im Schwitzkasten.
Die beiden Großen fanden recht schnell Gefallen an dem Element und probierten mit Schwimmnudeln und anderen Schwimmhilfen rum, die der Allgemeinheit zur Verfügung standen. Das Sirenchen rief schon bald aus: „Hier möchte ich nochmal hin! Das macht mir Spaß!“ und paddelte immer in meiner Nähe umher. Der Sohn hielt sich eine lange Zeit mehr außerhalb des Wassers auf. Bzw er paddelte mit einer Art flachem Schaumstoffboot umher und übte sich darin auf und abzusteigen. Das Knöpfen war von meiner Seite nicht zu entfernen. So verging weit über eine halbe Stunde. Dann wurden alle drei Kinder mutiger. Der Sohn schnappte sich auch eine Schwimmnudel und machte schonmal die richtigen Armbewegungen. Und das Sirenchen verließ auch mal meine unmittelbare Nähe. Das Knöpfchen löste gar ihre Beine aus der Umklammerung um meinen Bauch und paddelte ein wenig damit. Auch durfte ich sie nachher an den Händen nehmen und im Kreis herum ziehen. Sie lachte und wollte immer nochmal.
Allerdings durfte der Herr Papa mich nicht ablösen. Dann klammerte sie sich sofort wieder an mir fest.
Wir waren bestimmt mehr als eine gute Stunde im Wasser und beschlossen dann einen geordneten Rückzug. Das war für´s Erste eine gelungene und sachte Gewöhnung. Jeder in seinem Tempo. Mit dem Gefühl sich etwas getraut, ausprobiert und dabei ein positives Erlebnis gehabt zu haben, sind wir dann nach Hause gefahren. Es hat alles wunderbar geklappt. Auch beim Duschen und wieder Anziehen. Ich bin ganz stolz. So dass selbst ich wasserscheues Wesen eine baldige Wiederholung anstrebe. Ich fand es nämlich schön im Wasser mit meinen Kindern. 🙂

2 Antworten auf „Wir waren das erste Mal im Schwimmbad. Eine Premiere.“

Das klingt doch sehr schön! Und ja, jeder bringt sein Päckchen, seine Geschichte mit. Unseren allerersten Schwimmbadbesuch mit EINEM Kind und 4 Erwachsenen (die Großeltern waren dabei) fand ich unglaublich stressig. Ja, so war das damals. Das Umziehen mit dem Kind war stressig, im Schwimmbad musste man sich ständig abwechseln und er war ja auch ein Wasserskeptiker. Zum Glück war das keine hallende Schwimmhalle, sondern ein eher kleines Erlebnisschwimmbad. Mit unserer Kleinen ist es bis heute (sie ist 3) so, dass sie es zwar toll findet, aber trotzdem extrem an mir klammert und der Papa sie nicht halten darf. Zumindest war es beim letzten Mal vor einem halben Jahr noch so. Allein mit beiden Kindern würde ich mich auch nicht trauen. Am stressigsten ist für mich tatsächlich die Umzieherei 😉
Liebe Grüße!

Das Umziehen mit drei Kindern hatte ich mir auch ganz furchtbar vorgestellt. Vor allem hinterher. Ich hoffe die „Schockstarre“ des Ungewohnten hält noch ein wenig an. Sobald ja einer anfängt weg zu laufen und unter den Kabinentüren durchzukrabbeln wird’s ja ungemütlich. 😀

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