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Erziehung und Realität

Warum ich glaube, dass Regeln Freiraum schaffen.

Das Thema Regeln tauchte kürzlich auf Instagram bei der #ErziehungsChallenge von bineloveslive auf.
Da fiel mir einiges zu ein, was aber zu umfangreich für einen kleinen Instagrameintag ist.

Also schreibe ich hier einen Beitrag mit meinen Gedanken darüber und kann mich nicht entscheiden zwischen „Klugscheißermodus“ und persönlicher Erzählung. Aber wenn ich da lange dran rumpfeile, pfeile ich es komplett zu Klump und veröffentliche es dann doch nicht.
Nehmt es also jetzt so unvollkommen wie es da so rausgekommen ist.

 

Meine Regel-Definition:

Unter Regeln verstehe ich Handlungsempfehlungen oder Absprachen, deren Gründe immer klar und verständlich erklärt sind. Sie helfen, statt zu blockieren und sind in vielen Teilen auch flexibel.
(Es geht also nicht darum blindwütig irgendjemandes Willen jemand anderem über zu stülpen.)

 

Ich unterteile Regeln in drei Sorten.

Allgemeingültige Regeln (gruppenbezogene Regeln)

Diese beziehen  sich immer auf eine Allgemeinheit. Es sind Regeln, die das Zusammenleben, das Miteinander einfach, schön und friedlich machen. Kulturell können da durchaus Unterschiede bestehen.

Gesprächsregeln, Verhaltensregeln, Spielregeln…

Nehmen wir als plakatives Beispiel eine Schulklasse. Eine Schulklasse ist eine wild zusammengewürfelte Gruppe, die sehr dynamisch ist und unter Umständen erstmal nicht gut harmoniert.
Es wird dazwischen gerufen, geärgert, Sachen weggenommen, gehänselt und was auch immer. Im Brennpunkt fliegen auch schon mal Stühle. (kein Scherz)
Damit Gespräche möglich sind, Probleme gelöst werden können und sich alle wohl fühlen, müssen ein paar Regeln aufgestellt werden. Wenn diese Regeln konsequent eingehalten werden (und sinnvolle Konsequenzen bei Regelverstößen folgen), entwickelt sich eine Klassengemeinschaft, die für alle angenehm ist. Das ist manchmal sehr harte Arbeit. Dann aber fühlen sich im Idealfall alle Schüler wohl und sicher und auch frei so zu sein, wie sie sind. Es schafft Raum um miteinander zu wachsen und zu lernen. Sie haben damit gelernt sich in einer heterogenen Gruppe zurecht zu finden und profitieren davon auch im weiteren Leben. Sie haben dann die Kompetenz sich in allen weiteren und neuen Gruppen versiert zu bewegen und deren Regeln zu akzeptieren.

Ich habe erlebt, wie vor allem schwierige Schüler sehr dankbar auf Regeln reagierten, auch und vor allem wenn man die angekündigten Konsequenzen bei Regelverstößen durch zog. Damit meine ich nicht einen Tadel schreiben oder blindwütig irgendeine Strafarbeit verhängen. Der Tadel landet ohnehin sofort in der Mülltonne und ein Tadel zeigt dem Schüler eigentlich auch nur: „Du bist mir egal, du nervst, deine Eltern sollen sich kümmern.“ (Die kümmern sich aber nicht, sonst hätte das Kind nicht dieses Problem.)
Ein direktes Gespräch, eine ehrliche Reaktion auch mit Emotion zeigt dem Schüler hingegen: „Ich sehe dich. Was du machst ist mir nicht egal. Ich bleib dran an dir!“
Diese Art ehrlicher und interessierter Aufmerksamkeit kennen sie meist nicht. Und man muss auch keinen Strafenkatalog aufmachen, um verletzte Regeln zu ahnden. Es reicht meistens schon sofort einzuschreiten und das entstandene Problem zu besprechen. Man muss oft erstmal ein Bewusstsein dafür schaffen, dass eine Regel verletzt wurde.

Die Regeln in einer Gruppe erarbeitet man am besten gemeinsam. Wenn es gemeinsam nicht möglich ist, stellt man ein paar wenige klar formuliert und begründete Regeln auf. Übrigens haben Schüler, wenn man sie nach möglichen Konsequenzen fragt meist viel drastischere Ideen, als die Erwachsenen.

Ziel ist es, dass die Regeln am Ende keine Regeln im eigentlichen Sinne mehr sind, sondern Selbstverständlichkeiten werden.

 

In der Familie

In jeder Familie gibt es auch Regeln. Es gibt gewisse Dinge, die das Zusammenleben auch in der Familie für alle einfacher und schöner machen. Es fängt bei den Gesprächsregeln an, die man seinen Kindern idealerweise als positives Beispiel vorlebt und endet vielleicht bei Ordnungsregeln. Z.B. dass Abends vor dem Abendbrot alle zusammen aufräumen oder so. Das muss man meist gar nicht als Regel formulieren.

 

Und dann gibt es natürlich auch Spiele, die nur dann funktionieren und richtig Spaß machen, wenn sich auch alle an die Regeln halten.

 

Das bedeutet für mich, alle Kinder müssen lernen sich an Regeln  halten zu können. Ob sie es immer wollen und tun, ist eine andere Sache.

 

Situationsbezogene Regeln

Straßenverkehr, Spielplatz, Schwimmbadbesuch, Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln…

Ich nehme Beispiele aus unserem Familienalltag

 Straßenverkehr

Ganz kleine Kinder müssen bei mir an stark befahrenen und unübersichtlichen Straßen immer an der Hand eines Erwachsenen laufen. Da wo es ruhiger ist, dürfen sie frei laufen, aber MÜSSEN an der Hand die Straße überqueren.
Bei etwas größeren Kindern, die auch schon mit dem Laufrad o.ä. unterwegs sind, gilt die Regel: Fahr bis zu einem abgesprochenen Haltepunkt: z.B. die gelbe Mülltonne dahinten/ die Straßenlaterne auf der Ecke. Du darfst auch wieder zurück kommen. Aber ab dieser Stelle machen wir einen neuen Haltepunkt aus. Die Straße überqueren wir NUR gemeinsam.

In diesem Rahmen dürfen sich alle frei fühlen und so schnell oder langsam unterwegs sein, wie sie wollen. (Es sei denn man hat Eile.)
Werden die Regeln nicht eingehalten, folgt die angekündigte Konsequenz, wie z.B. dass das Kind unterm Arm, im Kinderwagen oder wie auch immer abtransportiert wird und nicht mehr selbstständig vorwärts kommt. Ich bin damit gut gefahren, mittlerweile kann ich mit meinen drei Kindern entspannt im Straßenverkehr unterwegs sein und muss mir keine Sorgen machen, wenn ich sie mal nicht sehe, weil sie schon um die nächste Ecke gebogen sind. Sie warten auf dem Bürgersteig in sicherem Abstand zur Fahrbahn. Und sie freuen sich ebenso wie ich, dass ich nicht ständig STOOOOOOP hinterher rufen muss.

Im Schwimmbad gilt bei uns die Regel: Nichtschwimmer tragen immer Schwimmflügel und sagen Bescheid, wenn sie in ein anderes Becken wollen, dann gehen alle zusammen.
Sobald alle schwimmen können, ändert sich diese Regel natürlich.

 

In öffentlichen Verkehrsmitteln bestehe ich darauf, dass alle Kinder sich hinsetzen oder gut festhalten und beim Umsteigen dicht bei mir bleiben und hören, damit niemand verloren geht. Auch hier gilt, wer nicht hört kommt an Mamas Patschehändchen.

 

Personenbezogene Regeln

(vermischen sich manchmal auch mit den Situatuationsbezogenen Regeln).

Hier nehme ich auch unsere Familie als Beispiel.

Schulweg
Der Sohn kommt neuerdings nach der Schule den Weg alleine nach Hause. Da die Sache noch sehr neu und ungewohnt ist (aber nebenbei bemerkt super klappt und sich für ihn sehr gut anfühlt), gelten folgende Regeln:
Regel N.1: Er geht jetzt eine ganze Zeit lang immer den gleichen Weg nach Hause, den wir auch zusammen geübt haben. (Er könnte nämlich theoretisch auch andere Wege gehen.) Denn falls er mal sehr spät ist und ich mich sorge und ihn suche, dann kann ich den Weg abgehen und ihn finden.
(Keine Ahnung, wie lange ich diese Regel aufrecht erhalte.)
Regel Nr. 2: Er darf nicht bei irgendwem ins Auto steigen und sich mitnehmen lassen, weil es z.B. regnet oder einfach schneller ginge.
Regel Nr. 3: Wenn er sich verabreden möchte, muss er zuerst nach Hause kommen und sich mit mir absprechen, damit ich weiß, wo er ist.

Diese Regeln helfen ihm in einem abgesteckten und sicheren Rahmen selbstständig zu werden.

 

Spielplatz:
Auf dem Spielplatz tat sich in diesem Sommer das Knöpfchen einmal etwas schwer. Sie spielte gerne alleine Bäckerei im Sand. Einmal kam ein deutlich jüngeres Kind freudig dazu und wollte mitspielen. Das Knöpfchen wollte das nicht und statt dem Kind das verbal mitzuteilen, schubste sie es weg.
Das ließ ich mit gerunzelter Stirn gerade noch durch gehen. Sie suchte meinen Blick.
Beim nächsten Versuch des kleinen Kindes sich in das Spiel einzubringen, schubste das Knöpfchen das Kind um. Das Kind weinte.
Ich ging zum Knöpfchen hin, hockte mich vor sie und erklärte ihr, dass das Kind noch sehr klein sei und man kleine Kinder nicht einfach weg- und schon gar nicht umschubst. Es sei ok, wenn sie alleine spielen wolle, aber dann müsse sie das sagen oder einfach weg gehen und wo anders weiter spielen.
Als ich wieder auf der Bank saß, wiederholte sich die Szene. Ich ging wieder zum Knöpfchen und sagte: Man schubst andere nicht einfach um und auf kleine Kinder nimmt man ein bisschen Rücksicht. Und wenn du nochmal schubst, musst du eine Pause bei mir auf der Bank machen. (Ich bin sehr sicher, dass sie mich genau verstanden hat.)
Es kam wie es kommen sollte. BÄHM. Da lag das kleine Kind schon wieder auf der Nase. Das Knöpfchen sah zu mir rüber und ich kam und sammelte sie ein. Sie protestierte zwar energisch, aber beruhigte sich recht flott, kuschelte sich dann einen Moment bei mir an und verschwand nach meine Erlaubnis wieder in den Sandkasten. Ab da klappte es ohne Schubsereien.
Mir persönlich ist es wichtig, dass meine Kinder sich zwar wehren, wenn es einen berechtigten Anlass gibt, aber sich ansonsten in Rücksicht üben, wo es angebracht ist. Diese Regel gilt natürlich für alle drei. Aber beim Knöpfchen muss ich sie manchmal besonders betonen. Man muss ja nicht mit jedem spielen und gut Freund sein. Aber man muss sich selbst auch nicht zum Kotzbrocken des Spielplatzes machen.

 

Eine ganz wichtige Regel für unsere Katzen haben wir auch: Es gibt abends erst ab 18 Uhr Futter! Ansonsten miauen sie nämlich ständig danach, sobald man in der Küche ist.

 

Zusammengefasst:

Sinnvolle Regeln schaffen in meinen Augen Raum für Freiheiten (die Freiheit nämlich zu tun, was man möchte, weil man die Gelegenheit hatte, die Kompetenz dafür zu erwerben) und weisen eine hilfreiche Richtung.

 

 

Eine Antwort auf „Warum ich glaube, dass Regeln Freiraum schaffen.“

Diese Regeln erleichtern ungemein! Ich merke es gerade im Straßenverkehr – meine beiden sind auch schon mit Rädchen und Co. unterwegs und sehr flott…! Ich kann aber sicher sein, dass sie in Sichtweite anhalten und das auch tun, wenn ich sie rufe. Das entspannt ungemein!

Auch das Händewaschen vorm Essen klappt inzwischen recht gut – es ist eine feststehende Regel, die wir handhaben, so lange sie sich erinnern können. Keine gewaschenen Hände, kein Essen. Das versteht hier jeder ;-). Ich helfe dann auch gerne beim Schnellwaschgang in der Küche, falls das selbständige Waschen mal vergessen wurde.

Ich finde, dass es auch hier wieder sehr darauf ankommt, welche Regeln man wie einführt und sie auch verständlich macht. Am besten ist es natürlich, wenn die Kinder es verstehen und von sich aus ‚mitspielen‘. Ein stumpfes „Das ist so, weil ich es so will“ ist kontraproduktiv und wäre ein ’sich über den Willen des anderen stellen‘. Natürlich gibt es Regeln, die die Kinder nicht nachvollziehen können; dann sage ich ihnen, dass sie es etwas später verstehen werden, aber dass es jetzt schon sehr wichtig ist, die Regel einzuhalten, und dass ich darauf aufpasse. Das Zähneputzen zum Beispiel! Und dann geht es oft gepaart mit einem Spiel besser – die Hubschrauberzahnbürste oder ähnliches.

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