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...und was es sonst noch gibt

Von Herbstferien und einer OP

 

Schon wieder Ferien. Es waren doch gerade erst Sommerferien. Und doch endlich. Der Schulstart war heftig voll.

Hier bleibt jetzt alles liegen. Der Haushalt und ich. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das kam so:

Da meine Galle, nachdem sie sich einige Jahre schon immer wieder beschwerte, seit diesem Sommer mit Nachdruck auf sich aufmerksam machte, ging ich den vor mir schon länger vor mir hergeschobenen Schritt zum Chirurgen.

Der Chirurg sprach zu meinem Vergnügen in schnellem Fachjargon und ausgesuchtem Vokabular und mit seinem Ultraschall bestätigte er, dass eine Entnahme der Galle anzuraten sei. Ich sah auch, was er auf dem Ultraschall sah. Besser is. Er wollte schon sehr bald operieren, ich erwiderte jedoch wahrheitsgemäß, dass ich erst in den Herbstferien Zeit hätte. Da er dann verreist wäre, blieb der Freitag vor den Herbsferien. Der ein oder andere fragt sich, wieso ich in Dreiteufelsnamen so eine Sache auf die Herbstferien lege. Ganz einfach: Alltagspraktische Überlegungen! Ich habe einfach nur an mich gedacht! Vier Kinder, ein Mann der nun auch wieder außenhäusig einer Erwerbsarbeit nachgeht und auch schulorganisatorisch. Ich wollte einfach maximal wenig Stress drum herum. Und ich bin wirklich zufrieden mit meiner Entscheidung! In jeder Hinsicht!

Am Tag der OP saß ich brav mit meinem Köfferchen morgens um 7 Uhr auf der Wartebank der Chirurgie. Keine 15 Minuten später lag ich mit Beruhigungstablette und mit Sünderhemd und Netzhöschen, was lediglich das Gefühl von Bedecktsein erzeugte, in einem Bett und wurde zum OP gefahren.

In einem größeren Vorraum, in dem mehrere in blaue Kittel und Hauben gekleidete Menschen „Zubehör“ kramten, Beinstützen und so wurden hin und her geräumt, partke man mich. Ich kam mir ein bisschen vor in in einer Lagerhalle. Neben mir erschien eine Ärztin und legte mir einen Zugang. Eine Schwester sagte, ich solle nun den Kittel ausziehen und ich ärgerte mich, dass die Beruhigungstablette nicht anschlug, ich verspürte wenig Motivation mich nun in diesem großen Raum mit gefühlt 20 Menschen alle Hüllen fallen zu lassen. Dazu war ich eindeutig zu nüchtern. Neben mir fuhr eine Liege vor und wurde auf die passende Höhe eingestellt und da sollte ich rauf. Schwups Kittel weg und warme Decken drauf. Das war ok. Dann merkte ich einen aufziehenden sehr unangenehmen Schwindel und…..schnarch.

Ich erwachte in einem anderen Raum und schließlich wieder in meinem Zimmer. Schmerzmittel-und Narkosebenebelt schwitze ich unfassbar vor mich hin und versuchte mich innerlich zu sortieren. Ich hatte das Gefühl ich explodiere. So furchtbarer Schmerz, der mich in mir drin verschloss. Ich konnte gar nicht richtig nach außen kommunizieren. Und mir wurde übel. Ein Pfleger und die Schwester standen neben mir. Wie geht es ihnen?

Heiß! Schlecht! Aua!

Man nahm dann endlich eine von zwei Decken von mir runter und ich sollte mich aufsetzen, was ich ohnehin wollte, denn ich ahnte, dass ich mich übergeben müsste. Der Pfleger zog mich hoch und gab mir eine Spucktüte, ließ mir aber keine Zeit mich zu sortieren und drängte, dass ich etwas trinke, damit alles besser raus käme. Aber da hab ich schon in die Tüte gespuckt und fühlte mich etwas besser. Ich fühlte mich dezent bevormundet von dem Mann. Ich sagte, mir ginge es wirklich scheiße! Und er meinte resolut, ich müsse mal aus dieser Schmerzschleife rauskommen, als hätte ich seit Tagen vor mich hingejammert. Mann, ich war frisch operiert! Was wollte der denn? Es war nichtmal Mittag! Aber ich konnte es nicht richtig kommunizieren. Der Schmerz hielt mich weiter gefesselt und geknebelt.

Mein rechter Oberbauch und unter dem Schulterblatt tat es höllisch weh und wenn ich versuchte tiefer zu atmen stach und zuckte es in mir. Ich war  total verspannt, weil ich nicht wusste, wie ich mich bewegen konnte und durfte. Ich sortierte allerdings für mich: Die OP-Wunden waren nicht das Problem, sondern ich hatte eine Art üblen Muskelkater/Verspannung und Nervenschmerzen innen drin, die mich arg quälten und beim Atmen stachen wie Messer , mit denen ich nicht umzugehen wusste. Ich wusste auch nicht, ob es klug war tief in den Schmerz einzuatmen und das Stechen zu „ignorieren“, oder ob dann etwas kaputt ginge.

Dann kam irgendwann der Chirurg lächelnd rein und setzte sich  auf einen Stuhl vor meinem Bett. Er wirkte nicht nur sehr zufrieden, sondern war es auch. Er sagte: „Das war eine sehr schöne Operation! Wir waren in 15 Minuten fertig!“ (Das muss Chirurgen-Humor-Genuss sein, dachte ich.) Ich blickte nur mit großen Augen. Ich konnte noch immer nicht so richtig kommunizieren. Er erklärte mir in seiner typischen Art mit geschwungenen Sätzen die Gründe für die verschiedenen Schmerzen. Das würde alles vergehen und ich dürfte mich sorglos bewegen und da schön reinatmen. Da würde nichts kaputt gehen. Letzteres sagte er so überzeugt, dass ich ihm das bereitwillig glaubte. Nur schwere Sachen heben, das solle ich die nächsten 4 Wochen nicht. Ich solle ruhig heute schon herumspazieren. Ich merkte an, dass mein Kreislauf noch nicht so überzeugt davon wäre und da sagte er: Machen Sie ganz in Ruhe, wie es ihnen gut tut. Sie können heute auch einfach nur liegen und sich erholen.

Irgendwie fühlte ich mich verstanden. 

Hunger hatte ich nicht. Auch abends das Abendbrot brachte ich nicht runter. Die Schmerzen verdarben mir jegliche Lust auf alles. Selbst meine mitgebrachten Bücher rührte ich nicht an. Ich zwang mich zu trinken und auch herum zu laufen, was ich dann in der Nacht auch immer wieder tat, weil ich nicht schlafen konnte. Ich konnte einfach nicht auf dem Rücken liegen. Mein sonst eher niedriger Blutdruck war den ganzen Tag auch immer ungewöhnlich hoch. Ich vermute mal, daran waren die Schmerzen schuld.

Am nächsten Tag ging es etwas besser. Ich nahm die Schmerztabletten, hatte aber das Gefühl, die brächten gar nichts. Da ich jedoch generell eine Verbesserung bemerkte, war ich zuversichtlich und wollte sogar wieder lesen und etwas essen.

Der resolute Pfleger tauchte dann am Nachmittag wieder auf und meinte überzeugt, es sei sein Werk, dass es mir nun so viel besser ginge, weil er mich aus meiner Schmerzschleife raus katapultiert hätte. Und dann kam eine Episode an Gelaber…..ich war immer noch zu schwach um ordentlich Kontra zu geben, deshalb kamen nur ein paar wenige Widerworte meinerseits, aber dieser Typ hat sie nicht mehr alle. Verbal übergriffig mit Tendenzen zu Verschwörungstheorien und einer fragwürdigen Idee von Medizin, viel hobbypsychologischem Geschwurbel und dem ungebrochenen Glauben daran, von ganz Viel sehr viel Ahnung zu haben. Kurz um, der Dunning-Kruger-Effekt in Reinform.  Ich lauschte irgendwann nur noch mit erschöpftem ungläubigen Grinsen und hoffte, er würde bald fertig sein mit seinem Vortrag.

Ich schlief in der nächsten Nacht richtig gut. Komplett durch von 20 Uhr bis morgens um 7. Das war definitiv ein Gamechanger. Ich fühlte mich fast wie neu geboren. Abgesehen vom weiterhin zwickenden Seitenbereich. Mittags durfte ich dann nach Hause. Leider fühlte ich mich trotz nachlassender Schmerzen weniger fit, als gehofft und beglückwünschte mich zu dieser Ferien-OP-Entscheidung. Und so arbeite ich mich in Ruhe zu meiner Fitness zurück.

Die Kinder und ich lungern herum. Ich für meinen Teil genieße das wirklich mit gutem Grund und damit ohne schlechtem Gewissen einfach mal nichts zu machen, außer zu lesen und zu schlafen. Lungern auf Rezept sozusagen.

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