Meine Vorurteile
Lange bevor ich schwanger wurde, hatte ich eine nebulöse Vorstellung von Hausgeburten. Irgendwo hatte ich mal in einer Zeitschrift oder einem Buch (es war jedenfalls aus den 70er/80er Jahren) Bilder zu einer Hausgeburt gesehen. Da standen im Kerzenschein die Gebärende nackt im Kreis der Familie. Im Wohnzimmer. Mit kreisenden Hüften. Das, in Kombination mit der Idee eines unfassbaren Blutbades während oder nach der Geburt, ließ mich diesen Vorgang komplett ablehnen. Ich wollte nicht nackt im Kreis meiner Familie, Kinder im Stehen bekommen. Weil ich 1. keine Zuschauer wollte, 2. wer fängt das Baby auf? 3. Wer macht die Sauerei wieder weg?
Ne, ne! Zur Geburt geht man schön ins Krankenhaus, da ist ne Hebamme und ne Schwester und nen Arzt (die sehen sowas öfter und sind gar nicht so direkt Zuschauer) und man liegt da schön, da plumpst das Kind nirgendwo hin UND man hat die Sauerei nicht und kann schön liegen blieben und sich bedienen lassen. So also waren meine rudimentären Kenntnisse. 😀 Und wie uninformiert und dumm ich war. Denn:
Was soll ich sagen….
Ich habe alle drei Kinder zu Hause zur Welt gebracht!
Wie sich meine Sicht änderte.
Mit der Suche nach einer Hebamme stieß ich auf die Internetseite einer Hausgeburtshebamme. Denn eines wusste ich schon von einer Freundin: Wenn man eine Hebamme haben möchte, die immer da ist, auch im Krankenhaus, muss man sich früh kümmern. Nachdem ich beim Lesen von Hausgeburtsberichten, aus rein voyeuristischem Antrieb, in Tränen der Rührung ausbrach (Die Kerzenscheinromantik blieb im Ansatz bestehen, stellte sich aber ganz anders, als in meinem Kopf dar), machte ich prompt einen unverbindlichen Beratungstermin mit meiner zukünftigen Hebamme. Sie räumte in einem fast 2 stündigen Gespräch bei uns zu Hause alle Zweifel vom Tisch, beantwortete alle Fragen kompetent, wir hatten ein gutes Gefühl und zogen eine Klinikgeburt überhaupt nicht mehr in Betracht.
Die Schwangerschaften verliefen alle drei unauffällig. Die Kinder und ich waren fit. Alles lag richtig, es stand den Hausgeburten nichts im Weg. Andernfalls hätte ich natürlich auch eine Klinik angesteuert bzw meine Hebamme hätte das dann auch so angeordnet. (UND ich finde die Medizin super, wenn es denn nötig ist einzugreifen! Toll, was alles möglich ist! Aber auch ziemlich erschreckend was alles überflüssigerweise aus reinem Profit gemacht wird! Gewalt in der Geburtshilfe ist kein Einzelfall.)
Die erste Hausgeburt: Der Sohn
Das erste Kind kam ziemlich gemütlich, muss ich sagen. Nicht, dass eine Geburt ein besonders angenehmes Ereignis ist, ich fand es schon auch eher unangenehm bis phasenweise sehr unangenehm. Aber unterm Strich natürlich auch ein unglaublich erhebendes Gefühl aus Stolz und Verwunderung.
Der Sohn machte sich in den frühen Morgenstunden um 3 Uhr ungefähr bemerkbar. Ich musste zur Toilette und entdeckte Blut in meiner Schlafanzughose. Ich erschrak zunächst und hatte kurz Angst. Erinnerte mich aber, dass die Hebamme mir von der möglichen Zeichenblutung erzählt hatte und woran ich diese von einer gefährlichen Blutung unterscheiden kann. Ich zog mich um und legte mich wieder ins Bett. Es stellten sich ziemlich bald Wehen ein. Diese waren regelmäßig, aber gut aushaltbar und ich konnte gut üben sie bewusst zu veratmen. Der Mann schlief und bekam von allem nichts mit. Ich war sehr dankbar, denn so störte mich auch niemand. Ich gehöre wohl zu der Sorte Weibchen, die sich in freier Wildbahn für eine Geburt ein ruhiges Plätzchen suchen würden.
Zwischen 6 oder 7 Uhr morgens wurde es mir so ein bisschen ungemütlich und die Abstände wurden kürzer. Ich wusste, es würde nun bald ernst und weckte meinen Mann. Nachdem er mich ein paarmal beobachtet hatte beim Veratmen, bat er mich doch einfach mal die Hebamme anzurufen. Er wusste nicht, wie ER mir helfen könnte. Och, ja, das wäre mal ne Idee. Jetzt war es ja auch nicht mehr mitten in der Nacht. 😀 Ich war echt tiefenentspannt.
Meine Hebamme hörte sich am Telefon zwei Wehen an und wollte von mir wissen, wann der „Höhepunkt“ sei. Leider ist es mir unter Schmerzeinwirkung nicht möglich zu sprechen. Sie musste also anhand meiner Atemgeräusche entscheiden. Sie entschieden auf Grund der kurzen Abstände flott zu kommen, mir wurde es dann auch schon sehr ungemütlich. Und etwas hektisch bezogen wir noch das Bett mit Malerfolie und zweitem Laken. Dann wurde es mir richtig fies unangenehm. Kurz dachte ich, darauf aber jetzt nur wenig Lust zu haben. Der Mann öffnete unserer Hebamme die Tür, sie bereitete schnell alles vor und untersuchte mich. Es stand alles auf Start. Ich befand mich in der als unangenehm bekannten Übergangsphase. Man hat irgendwie einen Pressdrang, aber es geht noch nicht. Ich wand mich ein wenig vor Unbehagen und bat zur Sicherheit sogar um einen Eimer. Ich war nicht sicher, ob mir übel würde. Da ich aber nun wusste, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde, entspannte ich mich und war wieder motiviert. Ich wusste es würde bald richtig los gehen.
Die richtigen Presswehen setzten kurz darauf ein. Ich zog mich in mein Inneres zurück und war hochkonzentriert auf das, was mein Körper tat und was er brauchte. Atmen und schieben. Aber so recht tat sich nichts. Unsere Hebamme öffnete die Fruchtblase, danach ging es voran, aber sehr langsam. Da war nix mit geplatzte Fruchtblase, 3 Presswehen und fertig! Nö! Es dauerte mehr als eine Stunde. Ich fand es unfassbar lang….schieben und atmen (alles wirklich im einigermaßen erträglichem Schmerzlevel, ich war in meinem Rhythmus) und ein nasser kalter Waschlappen war mein bester Freund. Der Sohn erspähte dann kommentarlos mit mürrischem Blick das gedämpfte Licht des wohlgeheizten Schlafzimmers. Ich hielt ihn beseelt und erstaunt über das Wunder der Natur auf meiner Brust liegend zart umschlungen und er…. sah scheinbar unbeeindruckt aus wachen Augen in die Welt. Als sei er ein alter Hase in dem Business.
Die 2. Hausgeburt: Das Sirenchen
Ich fühlte mich schon 2 Tage vor der Geburt unsicher und wackelig, hatte eine Zeichenblutung und traute mich mit dem Sohn nicht weit weg von zu Hause und hatte immer mal Wehen. Die eigentliche Geburt kündigte sich bei den Abendnachrichten an. Ich saß im Schneidersitz auf dem Bett und veratmete die Wehen. Wir riefen die Oma an. Die holte den Sohn (der komischer Weise auch so gar nicht schlafen wollte). Und als die beiden aufgebrochen waren, rief ich meine Hebamme an. Wahrend des Telefonates kamen heftige Wehen und wie beim ersten Mal konnte ich nicht mit ihr sprechen. Sie machte sich auf den Weg, der Mann und ich präparierten wieder schnell das Bett. Kaum war das geschafft, riss ich mir alle Kleider vom Leib (es war ein heißer Sommer). Mir war so heiß und es war mir ein dringendes Bedürfnis keine klebrigen Kleider an mir zu haben. Dann machte ich den gestrandeten Wal. Mein Körper befiehlt mir unter den Wehen, mich auf die Seite zu werfen und so liegen zu bleiben. Nichts anderes möchte ich mehr tun, als auf der Seite liegen. Und so tat ich es. Passend dazu kam meine Hebamme an. Es muss so 23 Uhr gewesen sein. Die Presswehen gingen kurz darauf richtig los, die Fruchtblase platzte, ich schob und atmete und schob……es tat sich nicht wirklich was. Ich dachte irgendwann, ich könne nicht mehr lange weiter machen. Mir ging buchstäblich ein bisschen die Puste aus. Das Kind wollte nicht so recht vorwärts kommen. Ich musste mich schließlich auf Geheiß meiner Hebamme 2 mal umwuchten, was für mich unglaublich mühsam war. Einmal drehte ich mich auf die andere Seite und dann nachher in den Vierfüßler. Es half tatsächlich. Das Kind fand seinen Weg. Das zu spüren motivierte mich und ich nahm nochmal alle Kraft zusammen.
Das Sirenchen kam als Sternenguckerin mitten in der Nacht zur Welt. Darum also hatte sie so schwer den Weg nach draußen gefunden und brauchte Unterstützung durch Positionswechsel.
So geplättet wie nie, ließ ich mich auf den Rücken plumpsen und nahm das schreiende Mädchen matt auf meine Brust. Ich verstand die kleine Frau. Wenn sie sich auch nur annähernd, so furchtbar durch den Wolf gedreht fühlte wie ich, dann hatte sie alles Recht der Welt so zu schreien. Also behielt ich die Ruhe und lag wortlos und so müde wie selten da und hielt das schreiende Bündel.
Die 3. Hausgeburt: Das Knöpfchen
Auch bei dieser Geburt hatte ich ein paar Tage vorher eine Zeichenblutung. Am Tag der Geburt selbst hatte ich immer wieder deutliche Wehen und dann lange Wehenpausen. Ich sah aus wie ein Gespenst. Bleich, müde und sehr erschöpft. Meine Mama war glücklicherweise an dem Tag da und sagte: „Das dauert nicht mehr lange!“ Sie hütete das Sirenchen, während ich in Begleitung vom Sohn zur Hebamme in die Praxis fuhr. Am Wehenschreiber sah man regelmäßige, aber leichte Wehen. Der Sohn schaute interessiert zu. Er wusste über alles genau Bescheid. 🙂
Am späten Nachmittag waren wir zurück und meine Mutter nahm die Kinder vorsorglich mal mit zu sich. Und wenn es nur dazu gedient hätte, dass ich mal richtig schlafen könnte, um Kraft zu tanken.
Ich wusste nicht recht und habe sogar am frühen Abend nach einer Dusche eine so lange Wehenpause gehabt, dass ich nicht daran glaubte, dass sich da noch etwas täte in der Nacht. Ich schlief ein bisschen, dann erwachte ich mit furchtbarem Schüttelfrost und leichten Wehen. Ich war sehr erschöpft und müde. Der Schüttelfrost gefiel mir nicht. brrr. Ich rief unsere Hebamme an. Die kam flott und untersuchte mich. Aber der Muttermund war noch nicht weit genug geöffnet. Ich hatte nur leichte Wehen und einen riesen Hunger. Zum Glück hatte der Mann vorsorglich eine frische Hühnersuppe gekocht. Es war mittlerweile fast Mitternacht und ich aß mit Appetit die Suppe. Alles war komisch an dem Tag. Meine Hebamme meinte, das würde dann wohl noch ein bisschen dauern. So kurz vor der Geburt, sei Essen eher ungewöhnlich. Kaum hatte ich aufgegessen, mit den letzten Löffeln der wohltuenden Suppe, bekam ich heftige Wehen. Die wurden so heftig, dass ich wieder ganz schnell den gestrandeten Wahl machen musste. Kommentarlos verschwand ich ins Schlafzimmer. Das Bett war noch nicht präpariert. Ich warf mich dennoch darauf und quälte mich kurz mit der Übergangsphase. Puh, die war übel. Der Mann und meine Hebamme kamen hinzu und kramten noch notdürftig die Malerfolie und ein zweites Laken unter mich. Die Fruchtblase platze, während unsere Hebamme mich nochmal untersuchte und dann kamen auch schon zwei super heftige Presswehen und mit der zweiten kam das Kind. Komplett. Nichts und niemand hätte es aufhalten können. Zack!
Ich habe wohl geschrien und dem Mann die Hand zerquetscht. Er hatte kurz etwas Sorge. 😀
Aber ich war unglaublich froh, dass es diesmal so unglaublich schnell gegangen war. Ich war zu müde von meinem Schwangersein mit 2 Kleinkinderalltag, als dass ich die Kraft für eine langatmige Geburt gehabt hätte.
Schlusswort
Was ich abschließend sagen kann ist, dass ich unter den Geburten weder angefasst werden und auch nicht reden wollte. Kurze Ansagen, zum Beispiel, dass ich mich in eine andere Position bringen müsse, waren ok. Mal ein Getränk anreichen, mein Bein mit festhalten….das war alles super. Aber ich ertrug kein Blabla und keine überflüssigen Berührungen.
Glückliche Umstände brachten mich sowohl an diese wunderbare Hebamme, als auch zur Hausgeburt. Die Vorstellung im Krankenhaus mit wechselndem Personal und an einen Wehenschreiber angeschlossen zu sein….es hätte mich gestört und den Geburtstvorgang massiv beeinträchtig. Da bin ich von überzeugt. Vor allem bei meinem Sternenguckermädchen war es wichtig, dass ich möglichst in Ruhe durch die Geburt gehen konnte. Die Ruhe zu Hause war das Beste was mir passieren konnte.
Geburtstverletzungen hatte ich bei den ersten beiden Geburten keine. Und bei der dritten schnellen Geburt einen winzigen Riss, den man eigentlich auch nicht erwähnen muss.
Und so blicke ich auf drei wunderschöne Geburten zurück, die mich mit großem Stolz und großer Zufriedenheit erfüllen. Ich bin dankbar, dass ich das so erleben durfte und wünsche dies allen Frauen.
Übrigens macht das gar nicht viel Dreck und Arbeit. Eine Maschine Wäsche und eine große Mülltüte voll. Das schaffen die Männer auch. 😉