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Erziehung und Realität Es könnte so einfach sein

Wann gelten denn Kinder eigentlich als schwer erziehbar?

Oder: Brauchen die mich überhaupt?

Einerseits kann man mit ihnen überall hingehen und sie benehmen sich nahezu tadellos. Jedenfalls, wenn wir irgendwo zu Gast sind. Beim Einkaufen kommt es sehr auf die Tagesform an.
Zu Hause aber lassen sie grundsätzlich die Sau raus. Der Herr Papa bemängelte erst kürzlich, es würde mal Zeit, dass die Kinder aufräumen lernen. Nun, es ist nicht so, dass ich das nicht durchaus regelmäßig versuchen würde. Seit Jahren.
Ich stelle schon die Kisten und Körbe im Zimmer bereit und sage an, was wohin kommt. Wobei ein 5 Jähriger nach 5 Jahren wissen könnte, dass ein Legostein in die Legosteinkiste gehört, die Autos in die Autokiste und so weiter. Das wissen sogar das Sirenchen und das Knöpfchen. Allerdings NUR wenn sie wollen. Ich helfe mit beim Räumen, ich versuche ein Wettrennen, ich zähle von 1 bis 10, ich feuere an, ich verspreche irgendwas Schönes, ich drohe mit Sanktionen, ich mache den Feldwebel, ich denke mir kleine Tricks aus. Manchmal klappt das. Ganz oft nicht. Und am wahnsinnigsten macht mich, dass eine Sache die gestern noch wirkte, am nächsten Tag nicht mehr funktioniert. Das ist doch nicht bei allen Kindern so, oder doch?
Ich kann ein Eis versprechen. Einmal klappt es, am nächsten Tag nicht. Hat man schon mal gehört, dass Kinder ein Eis nicht wollen?
Der Sohn ist zudem ganz groß in der Einhandräumtechnik. In einer Hand hortet er alles, was er spannend findet und mit der anderen Hand hebt er alle Teile einzeln auf. Das ist natürlich mühsam und dauuuert!
Ich drohe manchmal damit, das nicht verräumte Zeug einfach weiter zu verschenken. Dann kommt schonmal Schwung in die Sache. Aber es ist auch schon in Kauf genommen worden, dass ein empfindliches Spielzeug draußen verrottet, weil die Herrschaften zu faul waren, sie noch schnell wieder rein zu räumen. Waren die Dinge kaputt, wanderten sie ohne Trauer in den Mülleimer. Erst kürzlich meinte der Sohn: „Mir tut irgendwie was weh!“ „Was tut dir weh?“, fragte ich. Und er antwortete: „Mir tut irgendwie alles weh! Das tut alles weh, weil ich immer meine Sachen aufräumen muss! Du sollst meine Sachen immer aufräumen!“ So, damit war für mich klar…es wird ein harter und steiniger Weg für die Ordnung. Der Sohn leidet unter „Aufräumschmerzen“.

Ein weiteres Ding ist das Zu Bett bringen. Ich muss sie alle drei gleichzeitig mit nach oben ins Bad nehmen. Ansonsten pflücken sie die Bude auseinander. Sie schleppen sich müde hoch ins Bad und erwachen dort zu neuem Leben, als wären sie durch einen Koksnebel gelaufen.
Ich würde sie so gerne kuschelig Bett fertig machen. Mal kämmen, mal durchs Gesicht waschen. Ein bisschen eincremen. Ein bisschen kuscheln. Ach, ich fänd das schön! Ich möchte mich gerne so ein bisschen kuschelig kümmern. Aber die wollen das nicht! Der Sohn ist ohnehin nicht für´s körperliche und zudem kann man ihn auch „den Mann ohne Knochen“ nennen. Man hat beim Abtrocknen und Eincremen keinerlei Reibungswiderstand. Man bekommt ihn weder trocken noch die Creme anständig verteilt. Das kann man nicht erklären. Das muss man erlebt haben.
Das Sirenchen möchte immer und ständig ALLES alleine machen. Hilfestellungen werden nur selten gefordert und noch seltener akzeptiert. Immerhin schaffst sie es aber sich vernünftig zu waschen.
Ich würde dem Knöpfchen aber gerne abends mit warmen Wasser das klebrige Gesichtchen waschen. Und die kleinen Hände auch. Aber sie windet sich und fuchtelt. Es geht fast nur auf rabiate Art. Ich rufe sie streng zur Raisson und dann macht sie die Augen zu und tut so, als wäre sie nicht mehr da. Dann kann ich sie schnell waschen. Denn das schafft sie alleine noch nicht richtig. Zähneputzen ist auch so ein Ding.
Wenn dann zwei fertig sind, trödelt einer noch ewig rum. Die fertigen Kandidaten werden dann unruhig und machen allerlei Schabernack, der auch nervt und wieder Chaos verbereitet. Ich kann mit den fertigen Kindern das Bad verlassen, aber dann schreit das Trödelkind, man solle bleiben. Es ist nervtötend. Egal was ich auch versucht habe. Derzeit bin ich am Ende der Feldwebel, der entgegen der eigentlichen Kuschelneigung komplett konträr handeln muss. Im Kinderzimmer kommandiere ich dann auch alle in die Kojen und verteile mehr oder weniger angesäuert meine Gute-Nacht-Küsschen. Das ist doch nicht schööön!
Aber die Kinder flöten dann: „Gute Nacht, meine liebe Mama!“, legen sich zumeist wirklich hin und schlummern selig dahin. Die wollen mich doch verarsc…..!

Die Selbstständigkeit der Kinder ist dann auch noch so eine Sache. Einerseits freue ich mich darüber und bin auch stolz. ABER:  Das Sirenchen schiebt Stühle an Schränke um an Dinge zu gelangen, die eigentlich besser ein Erwachsener verteilt. Sie holt auch einfach Müsli und Milch und Schüsseln. Das Knöpfchen mischt schon ganz gut mit. Schubladen polterten auf und zu, Geschirr scheppert. So sehr ich auch stopp rufe ….sie stoppten nicht! Ferner quaken sie alle und wollen alle gleichzeitig gefühlte hundert Sachen von mir. Und ich komme meist auch nicht schnell zum“ Tatort“, weil mein Weg verbarrikadiert ist mit Kinderstühlchen, dem Indoor-Fuhrpark und KATZEN. Die sitzen und laufen ja auch immer da wo man lang muss!
So gibt es hier regelmäßig Müslischlachten und andere Katastrophen. Weil Kinder sind ja auch ungeduldig. Während man etwas für sie vorbereitet, stehen sie schon zeternd neben einem und wollen alles sofort.

Das  Sirenchen  fischt  auch Wiener-Würstchen-Gläser aus dem Kühlschrank. Da kann man froh sein rechtzeitig einschreiten zu können, bevor sie den Sud aus dem Glas trinkt. Obst wird auch komplett autark genommen, gewaschen und bei Bedarf geschält.
Brote schmiert sich selbst das noch nicht ganz zwei jährige Knöpfchen morgens alleine. Immerhin darf man ihr dann helfen, wenn sie alleine nicht weiter kommt. Aber das übernimmt das Sirenchen auch gerne. Anziehen können sich auch alle alleine. Das Knöpfchen übt noch. Aber wehe beim Schuhanziehen möchte ich helfen…. Der Sohn ist ganz fürsorglich sofort zur Stelle, wenn die Schwestern einen Hustenanfall haben und schlichtet Streitereien, wenn er nicht selbst drin verwickelt ist.
Manchmal fragte ich mich wirklich, ob die mich überhaupt brauchen?

2 Antworten auf „Wann gelten denn Kinder eigentlich als schwer erziehbar?“

Du schreibst super! Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie du dem Sirenchen gerade noch das Würstchen-Glas entreißt, während sie schon zum ersten Schluck Wurstwasser ansetzt. Ich hab mich köstlich amüsiert ;)))

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