Kategorien
...und was es sonst noch gibt

Als Mutter sieht man vieles anders.

Ich bin immer DIE.

Früher wollte ich immer dazu gehören. Ich wusste allerdings nicht so genau wozu ich gehören wollte. Denn: Ich wollte AUCH anders sein.
Ich würde behaupten, das ist mir irgendwie oft gelungen. Auf meine Weise.
In der Grundschule trug ich u.a. eine rosafarbene Latzhose und hatte dazu einen Fo-ku-hi-la- Haarschnitt. UND seit dem Kindergarten trug ich eine Brille, wegen der ich ständig gehänselt worden war. Is wahr! Ich sah merkwürdig aus. Ich fühlte mich auch merkwürdig. Obwohl ich mich aus freien Stücken für die rosa Latzhose, den beknackten Haarschnitt und das Brillenmodell entschieden hatte, wusste ich insgeheim, dass das alles nicht zusammen geht.
In der 5. Klasse sah ich aus wie ein Junge. Ich mochte den Mädchenkram nicht, interessierte mich zaghaft für Jungs, die sich aber nicht für mich. Ich begann mich für Musik zu interessieren. Ich mochte Hiphop. Ich mochte Michael Jackson. Ich trug weite Karottenjeans, dicke Turnschuhe und hatte einen Haarschnitt….man nennt das wohl Pottschnitt. Die coolen Skaterboys hatten das so. Ich hatte noch nicht so ganz begriffen, dass ich ein Mädchen war. UND ich trug ein Brillenmodell bei dem man die Gläser entweder in ein blaues oder pinkes Gestell einsetzten konnte. So nach Lust und Laune. Hatte ich mir selbst ausgesucht! Ich fühlte mich dennoch nicht wohl mit Brille.
Irgendwann begann ich meine Haare wachsen zu lassen. Ich hatte realisiert, dass das mit den Jungs in der Aufmachung nichts würde. Ich behielt aber ein Faible für nicht ganz mainstreamige Kleidung. Traute mich aber auch nicht wirklich die zu tragen und wenn, war es ungelenk kombiniert. Die langen Haare gefielen mir. Die Brille ließ ich einfach wann immer möglich weg. Ich wollte anders sein, aber gleichzeitig nicht auffallen. Wirr klingt das und so fühlte es sich auch an.
Meine frühe Pubertät war geprägt von dem Gefühl nicht angekommen zu sein. Zudem bekam ich immer Sprüche im Sommer, dass ich nicht braun würde. Ich solle mal die Sonnencreme weglassen etc. Die Folge war dann aber Sonnenbrand. Ach, irgendwie war alles nicht richtig an mir.
In der Oberstufe durchwanderte ich nochmal eine sehr bunte Phase. Ich mochte House-Music, ich mochte tanzen. Aber so die wirklich richtigen Läden fand ich nicht zum ausgehen. Ich ging halt mit der „Clique“ dahin, wo man so hinging. Also lief ich bei eher schicken Läden mal mit toupierten Haaren, einem Nasenring, grellgeschminkt, in einer Batik-Jeans in türkies und einem bunten Ringelshirt auf. Ich fand das cool, fühlte mich aber auch wieder fehl am Platz zwischen den ganzen schicken Leuten.
Irgendwann fand ich dann die passenden Outfits für die für mich passenden Läden. Das Ausgehen machte Spaß. Was mich dann allerdings fertig machte: Wenn sich so eine durchtanzte Nacht dem Ende neigte, dann war von mir nur noch das Modell zerrupftes Huhn, mit klebrigen Strubbel-Haaren, bleichem Gesicht und furchtbar schmerzenden Füßen übrig. Um mich herum sahen allerdings fast alle Frauen immer noch aus, als hätten sie den Club gerade erst betreten.

Derangiert
WIE MACHEN DIE DAS? Ich merkte also: Obwohl ich eine ganz gute Symbiose für mich gefunden hatte, so ganz angeglichen war ich auch hier nicht.
Und da kam dann auch immer meine Unsicherheit mit ins Spiel. Man kann sich ja so furchtbar unwohl in seiner Haut fühlen, wenn man glaubt die anderen wären perfekt. In meinem Fall nagte an mir immer noch das Gefühl aus der frühen Pubertät. Ich war „der Nerd“ mit der komischen Brille, dem Fo-ku-hi-la-Haarschnitt und den komischen Klamotten. Ich hatte noch nicht richtig gemerkt, dass das vorbei war. Ich FÜHLTE mich wirklich oft noch so komisch.
Nochmal bewusst so richtig blöd fühlte ich mich in einem spontanen Urlaub, in den ich nur eine knapp gepackte Reisetasche mitnahm. Ich besuchte eine Freundin und die führte mich in eine Bar aus. Und ich hatte NICHTS passendes für eine schicke Bar dabei. Ich stand da, zwischen Highheels und heißen Outfits, in Sandalen, einer Cargojeans und einem ganz netten Freizeit-Mädchen-Oberteil. Ich kam mir soooo blöd vor. Ganz schlimm.

falsche Kleidung
Ich trank mir einen Cocktail und tanzte einfach. Die Musik war super. Und im Grunde hatte ich einen super Abend. Ich habe ihn positiv in Erinnerung. Ab da nahm ich mir vor ICH zu sein. Es ist egal was man an hat! Es muss zu einem passen!

Bevor ich zum Ende komme muss ich noch einen kleinen Schwank einschieben: So von wegen passen. Das war oberpeinlich.
Wir waren mit dem Seminar zu einer Veranstaltung in einer schwedischen Schule in Berlin eingeladen worden. Es war sommerlich und ich hatte Lust auf Farbe. Mir fiel ein gelbes Haarband in die Hände und ein gelbes T-Shirt. Ich kleidete mich in jeansblau und gelb. Fand ich frisch, fand ich gut. Als ich an der schwedischen Schule ankam wartete eine Freundin schon auf mich und sagte sofort so etwas wie: „ Ach, du hast dich extra in den schwedischen Farben gekleidet!“ 😳Buäähhäääähääää! Ich wäre am allerliebsten sofort wieder nach Hause gefahren und hätte mich umgezogen! Mann, war das peinlich. Da hatte ich ÜBERHAUPT nicht dran gedacht. Komplett plemplem. Naja, ich hab´s überlebt. Haben halt alle gedacht, ich sei etwas überengagiert.

Mittlerweile bin ich Mutter. Da wird auch die Letzte schmerzfrei. Da geht man auch mal komplett ungeschminkt mit der Schlafanzug-Buxe unter einem langen Mantel zum Bäcker oder zum Kindergarten. Eine Mütze über das ungewaschen Haar gestülpt. Völlig egal.
Da radelt man auch bei Wind und Wetter in voller Regenmontur durch die Gegend und genießt beinahe den frischen Wind und den kühlen Regen im Gesicht.
Und da steht man dann vor dem Kindergarten und tropft und trieft und sieht aus, wie ein begossener Pudel mit roter Nase und neben dir steht eine adrette Mutter, die mit dem Auto vorgefahren ist. Nie, aber auch noch nie habe ich gesehen, dass auch nur eines ihrer Haare ungezogen in eine andere Richtung, als die ihr angedachte lag. Ich bin beeindruckt. Der Kontrast könnte nicht größer sein. Und noch vor 10 Jahren hätte ich mich unwohl gefühlt. Sehr unwohl. Heute lache ich einfach nur und erinnere mich an meine einstige Unsicherheit. Ich will nicht sagen, dass ich Miss-Selbstsicher geworden bin. Aber ich bin, seit ich Mutter bin, viel mehr bei mir als je zuvor. Und ich fühle mich gut. Ich trage mittlerweile meine Brille ohne mich wie ein „Brillenschlange“ zu fühlen. Ich weiß, dass ich unter dem Regenponcho ganz passabel aussehe. Und ich weiß auch: Ich BIN keine perfekt durchgestylte Frau. Ich bin keine Dame. Werde ich nie werden. Ich werde immer eher verstrubbeltes Haar haben. Ich werde im Sommer nicht braun. UND: Ich habe auch keine Lust mich ständig nachzuschminken oder neu zu frisieren, wenn ich unterwegs bin. Dann sehe ich halt später am Tag oder in der Nacht derangiert aus. Na und? Ich hatte dafür aber Spaß. 🙂
Also, sei du selbst. Immer.

Ich hoffe, ich kann das auch meinen Kindern vermitteln.

4 Antworten auf „Als Mutter sieht man vieles anders.“

hahahaha ja ich frag mich auch immer wieso die anderen immer so perfekt aussehen. Ich hab ne Naturkreause, bei Regen und Wind sieht das dann immer suuuuuuuuuuuper aus. 😉
Auch ich laufe mal mit Pyjama, Mütze raus, ist doch egal. Wen störts? Meine Kinder nicht. Also was solls.

Richtig, die Kinder stört es nicht. Und es ist eigentlich auch ziemliches Freiheitsgefühl, das einfach so zu machen und nicht dem Zwang zu unterliegen, man müsse wie aus dem Ei gepellt unterwegs sein. 😀

Super geschrieben!! Ich lauf auch oft genug so ähnlich rum und frag mich so oft wie die Styling-Muttis das hinbekommen. Aber bei so einem direkten Kontrast hab ich die Sicherheit die Du hast noch längst nicht erreicht 😉vielleicht kommt die ja noch… obwohl ich selbst diejenigen viel cooler finde und mich mit denen auch viel eher in Kontakt komme, die einfach sie selber und gerne auch mal einfach anders sind als die meisten 😊

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert