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...und was es sonst noch gibt

Philosophische Runde beim Abendbrot

Mit diesem Beitrag nehme ich bei der Blogparade #kindlicheLogik von grosseköpfe teil.

 

Da sitzt mir der Sohn beim Abendbrot gegenüber, blickt bedeutungsschwanger in den Garten hinaus und eröffnet dann mit ernster Miene: „Also, Mama, das Leben….das Leben müsste anders sein! Das gefällt mir so nicht!“
Was versteht Muttern? Der Sohn ist unzufrieden mit seinem Leben. Oh nein!
Ich frage vorsichtig: „ Was stört dich denn?“
Sagt er irgendwie für einen gerade 5 Jährigen so unpassend weltschmerzbeladen: „Die Menschen sollen nicht sterben! Wir sollen alle immer weiter leben!“
Puh. Da nahm ich mir erstmal n guten Schluck Bier. Das hatte ich mir mal zum Abendbrot aufgemacht und schon vor dem Sohn rechtfertigen müssen. Denn Bier trinken ist Männer-Sache, sagt er. Ach so.
Genauso ist es Männer-Sache ins Büro zu fahren. Frauen machen sowas auch nicht. Ach so, mein Sohn. Aus welchen Jahrhundert genau kommst du zu uns?

Aber zurück zum eigentlichen Gespräch.
Ich fragte dann, wie das denn genau gehen solle. Das sei doch langweilig für immer zu leben. Das hätte der Highlander ja schon ganz richtig bemerkt. Gut der hatte irgendwie aber auch nochmal andere Voraussetzungen. Aber egal.
Der Sohn fragte interessiert, wer denn der Heiländer sei. Ich merkte an, dass es sich da um eine Fantasiegestalt handele, die mal jemand erfunden hätte. Ein modernes Märchen für Erwachsene.
Der Sohn nickte, ließ ein „Hmmmmh!“ verlauten und blickte wieder in den Garten.
Ich sagte: „ Dass mit dem ewigen Leben ist so eine Sache. Denn alles hat ja auch einen Anfang. Wenn jetzt ständig Leute geboren werden, die dann nicht sterben, dann ist dieser Planet ja irgendwann voll! Es gäbe keinen Platz mehr um uns herum. Überall wären Menschen.“
Er blickt mich ernst an: „Dann wären die halt da draußen. Die können sich ja ein kleines gemütliches Häuschen zum Schlafen bauen. Das könnte man machen!“
Ich: „Ja, aber irgendwann wäre nicht mal Platz übrig, um kleine Häuschen zu bauen. Und obwohl die Menschen sterben, werden wir schon immer mehr. Weil immer mehr Menschen geboren werden.“
Er: „Wenn es zu viele sind, müssen die halt übereinander liegen. Bis zum Weltall!“
Ich: „Das wird aber ein bisschen ungemütlich, meinst du nicht? Außerdem wäre dann ja kein Platz mehr, wo die Pflanzen wachsen könnten. Dann hätten wir kein Gemüse und nix zu essen.“
Er: „Man kann doch was kochen!“
Ich: „ Äh, ohne Gemüse kann man auch nix kochen. Der Supermarkt kann das Zeug ja nicht herzaubern. Das muss schon irgendwo wachsen.!“
„Hmmmmmmh!“, macht er und blickt mich fragend an.

Ich: „Wer geboren wird, muss auch irgendwann mal sterben. So ist das Leben. So ist der Kreislauf. Es hat alles einen Sinn. Wie mit dem toten Vogel, den wir neulich gefunden haben. Die Zeit war um. Er wird von kleinen Organismen nun zerlegt und aufgelöst bis nichts mehr übrig ist und das wiederum ist neuer Nährboden für neues Wachstum. Dafür hat er aber vielleicht viele Kinder bekommen. Da lebt er schon irgendwie auch weiter.“
„Hmmmmh!“ hört man den Sohn wieder nachdenklich sagen.
„Stirbt die Erde auch?“
Ich: „Die stirbt auch irgendwann mal. Wenn der Erdkern erloschen ist.  Weil dann wird es zu kalt und alles Leben auf der Erde stirbt. Das dauert aber noch sehr sehr lange.“
Er: „Fällt die Erde dann vom Himmel?“
Ich: „Nein, die bleibt wo sie ist. Aber man kann nicht mehr darauf leben.“

Der Sohn springt in seinem Gedanken:„Hat man denn die Augen auf, da oben im Himmel?“
Ich stutze:„Meinst du, wenn man tot ist und im Himmel angekommen ist?“
Er: „Ja! Hat man dann die Augen auf?“
Ich: „Also der tote Körper hat die Augen geschlossen und wenn nicht, dann schließt man sie, damit es aussieht als schliefe man. Der Körper lebt nicht mehr. Die Augen funktionieren nicht mehr. Aber die Seele kann noch alles sehen.“
Er: „Hat die dann die Augen auf?“
Ich bin etwas überrumpelt und hoffe ich kann ihm weiter die Fragen so gut es irgendwie kinderecht geht beantworten: „Die Seele braucht eigentlich keine Augen. Die Seele ist eigentlich ein Gefühl.“ Wie erklärt man denn sowas?
Er: „Aber wo ist denn die Seele?“
Ich: „Die ist IN dir drin. Man sagt es gibt den Körper. Alles was du hier so siehst. Und es gibt die Seele. Die lebt immer weiter und trennt sich nach dem Tot vom Körper, weil der nicht mehr funktioniert. Und die Seelen sehen von oben zu.“ Das hatte ich ihm so erzählt, als der Opa vor einem Jahr gestorben war.
Er: „Wo ist denn meine Seele?“
Ich: „Die ist IN dir drin.“
Er: „Ich seh die aber nicht.“
Ich: „Vielleicht fühlst du sie?“
Der Sohn legt den Kopf schief und horcht in sich hinein:
„Also ich höre sie nicht! Aber ich höre was rauschen. Wie eine Autobahn!“
Ich denke krass und erkläre: „Das ist das Blut in deinen Adern. Das rauscht so.“
Er:„Aber ich kann die Seele nicht fühlen!“
Ich:„Aber sie ist da!“

Pause.

Er: „Und können die Menschen nicht immer leben?“
Ich: „Naja, wie gesagt, es muss ja auch irgendwie anfangen und dann werden es immer mehr Menschen. Es würde zu eng. Wie meinst du denn, dass es überhaupt anfangen soll?“ Ich verzettelte mich selbst ein wenig in meinen Gedanken.
Er: „Gab es schon vor uns Menschen?“
Ich:„Ja. Es gab vor dem modernen Menschen auch schon den Urmenschen. Der sah ja ein bisschen aus, wie ein Affe.“ Das hatten wir neulich in einem Buch, einem Lexikon über Dinosaurier und Urzeittiere gesehen. Da war auch der Urmensch abgebildet.
Er: „So, soll es anfangen!“
Ich: „So hat es ja angefangen und dann haben die Menschen sich immer weiter entwickelt. Aber auch das passierte durch Geburten und Sterben. Die Gene sind von den Eltern an die Kinder und später von denen wieder an deren Kinder weiter gegeben worden. Und so ist es heute noch.“

„Mmmmh!“, machte der Sohn. Und dann wurden wir unterbrochen, weil das Sirenchen und das Knöpfchen ein ganz lebenspraktisches Problem hatten. Sie hatte einen Streit um ihre Butterbrote und wollten außerdem endlich das Sandmännchen sehen.
Ich, die ich nichts gewohnt bin, war dann leicht beschwipst, weil ich mir die Flasche Bier zu schnell reingegossen und das Essen ganz vergessen hatte. Das war ein bisschen viel Philosophie und Evulotionsgeschichte auf den darauf unvorbereiteten Abend.

2 Antworten auf „Philosophische Runde beim Abendbrot“

Uff! Mein erster Gedanke war, dass so ein ausführliches Gespräch bei uns gar nicht möglich wäre, weil die Kleine ständig dazwischenfunken würde 😉 Und ich das bedauere, mich nur selten so ausführlich mit meinem Großen unterhalten zu können.
Zweiter Gedanke: ich habe Bammel davor, solche Gespräche zu führen, weil das genau an meine eigenen Ängste und Gedanken rührt. Ich würde nämlich eigentlich auch gern „immer weiter leben“ und habe Angst davor, dass irgendwann jeder und alles vergeht. Schwieriges Thema und ich weiß nicht, was genau ich ihm dann erzählen würde.
Liebe Grüße!

Immer gehen solche Gespräche bei uns auch nicht. Also auch eher seltener. Es quakt ja doch meistens einer dazwischen. Ich fand es auch beachtlich, dass wir so lange am Stück reden konnten. Deshalb hab ich es auch schnell aufgeschrieben.
Ansonsten finde ich das auch kein leichtes Thema. Ich versuche sowas immer so aufgeräumt wie irgend möglich zu besprechen, damit sich keine unnötigen Ängste aufbauen. Aber ja, schwierig ist es. Und ich denke, da kommen immer mal wieder Fragen. Und ganz ehrlich, wenn Kinder in solch ein Thema eintauchen, dann denkt man selbst auch nochmal bewusster darüber nach.

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