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...und was es sonst noch gibt Erziehung und Realität Es könnte so einfach sein

Wenn einfache Aufgaben verweigert werden…

…und was das für die Schule bedeutet.

Da habe ich doch tatsächlich ein: „Das ist mir zu blöd“-Kind zu Hause.

Das fällt mir schon länger immer mal wieder auf. Diesmal ist mal wieder der Aufhänger ein Rätselheft. Eines für die „Vorschule“. Mit Wickingern. Die mag der Sohn. Ich habe das Heft mal in einem Supermarkt mitgenommen und dachte, vielleicht hat er Spaß dran. Man muss so Wege in Labyrinthen finden, Bilderrätsel lösen, hier und da kleine mathematische Aufgaben und Zuordnungen machen. Was ausmalen. Alles easy und nett gemacht. Keine Pflichtaufgabe! Das ist wichtig!

Der Sohn war aber begeistert und besah sich das Heft interessiert. Schon ein paar mal verzweifelte er jedoch über der ein oder anderen Aufgabe. Es scheint, dass die Aufgaben zu simpel sind und er nach der Herausforderung sucht. Wegen seines zunehmenden Zorns habe ich das Heft einfach versteckt. Gestern fragte er nach WOCHEN, wo denn eigentlich das Wickingerheft sei.

Und engagiert setzte er sich hin, fand einige Wege in Labyrinthen und kam dann zu dieser Aufgabe:

 

Auf den roten Kringel komme ich weiter unten. Da ist „ein Zahn zu viel!“

Ich sollte die Aufgabenstellung vorlesen. Alles klar. Verstanden. Ich wandte mich ab.

Kurz darauf heulte er verzweifelt auf, die Zahlen würden nicht in das Kästchen passen.
Ich war irritiert, denn es musste ja nur eine Zahl eingetragen werden und selbst wenn er grobmotorisch groß geschrieben hätte, hätte die Zahl gepasst.
Aber er hatte begonnen die Zahlenreihe einzutragen und merkte schnell, dass das nicht passen würde. Wobei er ja auch einfach über den Rand hätte schreiben können. Ist doch egal.

Ich erklärte nochmal, dass er nur die Drachenköpfe zählen und dann das Ergebnis eintragen müsse. Sonst nix. Nur eine Ziffer.
Er fing nochmal an zu zählen und sagte dann: „Aber manche sehen aus wie Dinosaurierköpfe! Die zähle ich nicht!“

„OK, dann zähle nur die, die aussehen wie Drachenköpfe!“

„Aber schau mal, der hat einen Zahn mehr als der da!  (der rote Kringel zeigt was der Sohn als Zahn mehr sieht. Es ist eine Überschneidung zweier Drachenköpfe im Layout. Ignorierbar, eigentlich). Da kann man ja noch mehr Aufgaben draus machen!“

„Das ist in diesem Fall komplett egal. Es geht nur um das Zählen der ganzen Köpfe, nicht um Zähne und ob es Drachen oder Dinos sind.“

„Aber man kann so viel mehr Aufgaben daraus machen!“

Bevor ich sagen konnte: „Dann denk dir doch Aufgaben dazu aus. Das ist doch toll!“, warf er seine Stifte zur Seite, schob das Heft von sich und sagte: „Das ist mir zu doof!“
und ging.

 

In der Schule

Es gibt viele Kinder, jedenfalls habe ich viele kennengelernt, die solche Aufgaben ohne sie zu hinterfragen einfach weg arbeiten. Das sind auch die Kinder, die in der Schule prima zurecht kommen. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun. Es gibt einfach fleißige „Arbeiter“, die zufrieden sind, wenn sie etwas erledigt haben und dafür von der Lehrerin noch ein Häkchen bekommen. Das ist voll in Ordnung. Und ich bewerte das auch nicht. Als Lehrerin als auch als Schüler ist das durchaus bequem.

Es gibt aber auch Kinder, die ticken irgendwie anders. Ich finde das ja sehr spannend. Und toll ist es, wenn die Kinder sich ausdrücken können und wie der Sohn recht deutlich erkennen lassen, wo der Knackpunkt liegt.
Und so manches „falsche“ Ergebnis hängt mit einem ganz anderen Denken zusammen, als es z.B. vom Schulbuch vorgegeben ist. Oder es der Mainstream verstehen würde.

Ein Beispiel zum Schmunzeln.
1.Klasse: In einer kleinen Gruppe sahen wir uns kleine Bildergeschichten im Mathebuch an. Es sollten kleine Rechnungen benannt werden. Einige solcher Aufgaben hatten wir schon zusammen gelöst. Es gab u.a. ein Bild mit 3 Knochen in einem Fressnapf. Und ein weiteres Bild, da lief ein Hund und hatte einen der drei Knochen im Maul. Die gesuchte Aufgabe sollte laut Buch sein: 3-1=2 (3 Knochen minus 1 Knochen) Ein Kind meldete sich engagiert und sagte: „Das Ergebnis ist 4!“ Ich musste schmunzeln und fragte nach der Rechnung. Die Antwort des Kindes: „Ist doch klar! 1 Hund plus 3 Knochen!“
😀
Ein anderes Kind in der ersten Klasse saß gelangweilt und mürrisch vor Aufgaben bei denen man Mengen einkreisen oder die gezählte Menge notieren sollte. Auf den bunten und nett gemachten Bildern waren immer Obst, Tiere oder kleine Spielzeuge oder so was, von denen eine vorgegebene Menge eingekreist oder eine eingekreiste Menge notiert werden sollte.
Da wir den Eindruck hatten, dass das Kind die Aufgabe durchaus bearbeiten könnte, fragten wir nach, wo das Problem läge. Es zuckte nur mit den Schultern. Es kam nicht so recht raus mit der Sprache. Die Aufgabe war einfach nur doof! Jedoch sahen wir, dass es in jeder freien Sekunde zeichnete. Und zwar richtig richtig gut! Das Interesse beim Zeichnen lag dabei auf Menschen, Tieren und Insekten. Das Kind bekam dann den Auftrag doch selbst mal solche Aufgaben zu zeichnen.
Ab da gings los. Das Kind zeichnete blätterweise Aufgaben dieser Art. Wunderschön, ganz fein und klein. In der gleichen Größe wie im Arbeitsheft. Man hätte sie so als Kopie an alle anderen Kinder verteilen können. Einziger Unterschied, zu zählen gab es Ameisen, Heuschrecken, Sterne, Dinos, Vögel, Pflanzen etc.

Es ist manchmal so einfach einem Kind eine Aufgabe schmackhaft zu machen.

Wenn ein Kind sich gegen eine Aufgabe sperrt oder „falsche“ Ergebnisse abliefert, dann gibt es meistens einen Grund und der hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Ich gebe zu, dass es manchmal schwierig ist rauszufinden was „anders“ läuft und einen Weg zu finden. Es kann auch helfen manche Aufgaben einfach weg zu lassen. Bevor ich ein kreatives Denken platt mache, weil ich nicht dahinter steige, vertage ich Sache lieber erst mal.

Aber eben aus diesem Grund bin ich für Lehrerteams in jeder Klasse! Ich werde nicht müde immer wieder zu sagen, wie toll es ist im Team mit einem Sonderpädagogen zu arbeiten. Zu zweit hat man vieles viel besser im Blick und kann die unterschiedlichen Beobachtungen zusammen fügen, besser auf die Kinder eingehen. Dann hat ein Lehrer auch mal die Gelegenheit sich mit einem Schüler intensiver zu befassen.

Ich arbeite gerne mit Kindern, die „anders“ ticken. Die schönste Zeit hatte ich in einer Klasse, die tatsächlich von ganz vielen „Spezialisten“ besetzt war. Das gibt es ja schon mal.  Nicht jede Klasse ist gleich und es gibt manchmal Konstellationen, die besonders bemerkenswert sind.

In dieser Klasse saßen ganz viele: „Das ist mir zu blöd“-Kinder. Aus unterschiedlichen Gründen. Und immer wieder fanden wir kreative Lösungen. Das Schönste für mich war zu erleben, wie alle Kinder aufblühten, wenn sie nach einer Weile merkte, dass sie sein durften, wie sie sind und jeder seine Zeit bekam, die er brauchte.
Das Arbeiten im Team bedeutet auch nicht, dass man als Lehrer weniger arbeitet. Man kann besser arbeiten und so durfte ich es immer erleben, weil die Chemie einfach auch stimmte, man lacht mehr. Und zwar auch mit den Kindern. Es ist so viel lustiger im Team in einer Klasse zu arbeiten. Das trägt sehr zu einem guten Klassenklima bei. Auch für den Lernzuwachs wichtig. Mit guter Laune lernt man leichter!
Und um nochmal den Bogen zum Sohn zu spannen.
Wenn man als Klassenlehrer/in alleine mit 25 oder mehr Kindern ist, dann gehen die „Das ist mir zu blöd“-Kinder auch gerne mal unter. Je nachdem was an Aufgaben ansteht, kann man nicht immer alle gleichermaßen im Blick haben. Und ich finde es vermessen zu glauben, dass ein Lehrer in der heutigen Zeit, in der Inklusion gefordert wird, aber zu wenig Personal zur Verfügung steht und eben nicht mehr nach alten Regeln stillgesessen wird, alle Kinder einer Klasse gleichermaßen begleiten kann.
Ich finde die Rolle der Eltern da wichtig.

Das bedeutet für mich, wenn der Sohn in der Schule unglücklich ist, Aufgaben verweigert oder was auch immer, dann kenne ich meinen Sohn und kann der Lehrerin/oder dem Lehrer meine Beobachtungen mitteilen. Und mir geht es nicht um Leistung und gute Noten. Sondern um einen glücklichen Grundschüler, der nicht in Normen gepresst wird, weil der Lehrplan oder gar das Arbeitsmaterial das so vorgibt. Der konstruktive Austausch zwischen Lehrern und Eltern ist sehr wichtig.

 

 

6 Antworten auf „Wenn einfache Aufgaben verweigert werden…“

Lieblingsartikel 🙂 Wenn jetzt nur noch die aktuellen Lehrer bereit sind, Aufgaben schmackhaft zu machen. Es gibt da noch einige, die auf exakt so viele Kopien in der Ausführung bestehen, wie Kinder in der Klasse sind …
Da haben Eltern kaum Chancen. 🙁

Ja das geht gar nicht. Zum Glück habe ich in den Grundschulen die meisten Lehrer sehr flexibel erlebt. Je höher die Klassen werden, je starrer wird das Ganze. Es gibt viel zu tun. Nur die Mühlen malen langsam. Sehr langsam.

Liebe Beatrice,

sehr interessanter Beitrag aus eurem Familienleben! Man merkt, dass dein Sohn einfach zu schlau für solche Rätselaufgaben ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass er die Schulzeit im Handumdrehen erledigen wird. Du kannst ihn ja bereits darauf vorbereiten, dass ihn die anderen möglicherweise sogar als Streber bezeichnen werden. Denn von sich aus wird er erst später im Leben lernen, dass das nichts schlechtes ist.
Ich freue mich auf weitere Beiträge!
LG und eine schöne Woche,

Erika W.

Mein Großer ist da ganz ähnlich, er schwankt extrem zwischen „Ist mir zu babyeinfach“ und „Kann ich nicht, ist zu schwer/zu blöd“. Es ist sehr schwer, etwas zu finden, was optimal passt. Er arbeitet auch nicht einfach weg (im Gegensatz zu mir). Was ihm zu doof ist, macht er nicht. Ich bin gespannt, wie das in der Schule wird. Entweder passt er sich an und macht es dort einfach oder er wird Probleme kriegen. Oder er bekommt eine verständnisvolle und geduldige Lehrerin/resp. Lehrer, die Kinder so betrachten, wie Du es beschreibst. ich hoffe es sehr für ihn, rechne aber eher nicht damit, denn solche Pädagogen gibt es eher selten.
LG!

Ich bin auch sehr gespannt wie es mit der Schule wird. Vielleicht läuft alles ganz einfach und man macht sich zu viele Gedanken.

Mal abwarten. 🙂

LG

Das kenne ich! In der Klasse meiner Tochter sind die Kinder beim Lesen und Schreiben lernen so unterschiedlich weit gekommen, dass es keine gemeinsamen Aufgaben mehr gibt, sondern nur, dass jedes Kind jeden Tag als Hausaufgabe etwas weiter arbeiten soll.
Gestern habe ich dann in das Heft meiner Tochter geschaut, was sie gemacht hat. Zuerst dachte ich, sie hätte nur ganz ganz wenig bearbeitet. Aber als ich dann weiter geblättert habe, habe ich bemerkt, dass sie auf sehr vielen Seiten was gemacht hatte – halt die Aufgaben, die ihr Spaß gemacht haben! Das ist ganz typisch für sie… 😀

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