Wir waren Bötchen fahren. Ruderbötchen auf einem Weiher. Am Sonntag. Was man als braver Bürger an sonnigen Sonntagen eben so macht. Gediegenes Unterhaltungsprogramm für die ganze Familie. 😀
Wenn wir mit den Fahrrädern eine Sonntagsrunde drehen, so steuern wir zumeist noch ein Büdchen mit Eisverkauf am Weiher an.
Dort gibt es auch einen Bootsverleih. Es gibt Tretboote und Ruderbote. Tretboote sind mir persönlich angenehmer, die machen auf mich den Eindruck einer unumkippbaren Plastikinsel. Aber egal. Die Kinder wollten jedenfalls schon öfter dort Bötchen fahren. Ich allerdings nicht. Oft war es so gut besucht, dass es mir nicht schwer fiel dies als Ausrede anzuführen.
Manchmal fragten die Kinder angenehmer Weise auch gar nicht und manchmal fielen mir Ausreden ein, wie: „Zu sonnig, da brät man auf dem Wasser so weg.“ oder Sonnenbrand, keine Sonnencreme, keine Sonnenmützen (die meine Kinder eh nie tragen wollen. :-D) Oder: „Es ist zu kalt und wir haben keine wasserfeste Kleidung. In den Boten ist es immer ein bisschen klamm.“ Oder was auch immer mir an komischen Dingen einfiel. Es wurde lange akzeptiert. Wir fuhren NICHT.
Nun war es an jenem Sonntag weder zu heiß, noch zu kalt. Schon zu Hause merkte ich an, dass es deshalb auch gewiss gaaaaanz voll wäre. Der Mann sah mich dann an und folgerte richtig: „Du willst einfach nicht! Dir fallen ja immer wieder neue alberne Ausreden ein. Was ist los?“ Ich erwähnte mein bereits bekanntes angespanntes Verhältnis zu trüben Gewässern und Ruderbooten und fand mich selbst albern. Aber da sieht man mal wieder wie tief ein Kinderheitserlebnis sitzt.
Mein aller erstes Ruderbooterlebnis
Als ich im Kindergartenalter war, entwickelte mein Vater eine Leidenschaft für Ruderboote. Genau genommen hatte er ein Kanu erworben. So ein richtiges Indianer-Ding. Eigentlich ja eine tolle Sache. Auch für Kinder. Aber leider nicht für mich. Wasser mochte ich, war aber immer sehr skeptisch. Ich erinnere mich genau, wie ich in meinen damals neuen grünen Puma-Jogginganzug gesteckt wurde und mit meinem Papa zur Erft (einem nahegelegenen Flüsslein) fuhr. Das ganze behagte mir vom ersten Augenblick an nicht. Aber mir wurde gesagt das sei ganz toll. Ich war in Sorge, es könne etwas passieren. Mein Papa versicherte mir, es würde nichts passieren. Im Grunde hatte er damit auch Recht. Ich war nie in Gefahr und doch habe ich einen so großen Schreck bekommen, dass ich ihn bis heute nicht verdaut habe.
Ich saß also irgendwann in meinem grünen Puma-Jogginazug im Kanu meines Papas auf der Erft. So wirklich los gefahren sind wir auch nicht. Es ereignete sich blitzschnell eine Verkettung dummer Zufälle, die zu einem Kentern des Bootes führten und ich erstarrte. Das Beitragsbild zeigt mich im umgekippten Kanu meines Vaters. Ohne Witz.
Er drehte das Boot schnell wieder um, er selbst hatte heraus springen können und war bis auf die Füße trocken geblieben. Aber ich nicht. Ich saß nach wie vor so im Boot wie ich eingestiegen war und krallte mich mit beiden Händen an der Reling fest.
Zwar findet es mein Papa bis heute zu sehr lustig, dass ich noch genau so im Boot gesessen habe, als er das Boot wieder umgedreht hatte. Die Vorstellung finde ich auch lustig. Aber: I was not amused!
Ziemlich lange hatte ich Alpträume von der Erft und wenn kleine Boote zu sehr schaukeln, bekomme ich Panik.
Zeit um das mal zu überwinden.
Wir kamen also mit unseren Kindern am Weiher an. Es war nicht zu voll. Ich stimmte für die unumkippbare Plastiktretbootinsel.
Aber der Sohn wollte rudern. Dringend rudern.
Wir bekamen also ein rotes Ruderbötchen zugewiesen. Die Kinder turnten sofort behände über die schmalen Stege. Ohne Angst. Ich sah sie schon ins Wasser purzeln.
Im Brötchen selbst nahm ich das Knöpfchen verkrampft umschlungen auf meinen Schoß, das Sirenchen saß ganz vorne und Vater und Sohn nahmen nebeneinander an den Rudern Platz.
Der Mann erlaubte sich den Spaß, das Boot zum Schaukeln zu bringen, was mich hektisch aufkreischen ließ. Konnte ich nicht kontrollieren. Sollen die Leute doch denken, was sie wollen.
Die Kinder lachten. Bei behäbiger Fahrt und wirklich sensationell gutem Rudern vom Sohn beruhigte ich mich etwas. Vor allem als ich realisierte, dass das Wasser so flach war, dass ich A den Grund sehen konnte und B wir Erwachsenen problemlos darin stehen könnten.
Nach einer halben Stunde war ich dann soweit, dass ich beinahe entspannen konnte, aber da war die Zeit schon rum.
Ich muss mich einfach öfter überwinden. Und man darf keine Späße mit mir machen.
Wer also an dem kommenden langen Wochenende irgendwo eine rothaarige Frau kreischend in einem Ruderbötchen sitzen sieht…..das bin ich. Ich übe. 😬
2 Antworten auf „Eine Ruderbootfahrt die ist……Selbsttherapie“
…und es ist ja wohl DOCH etwas passiert! Das versuchen wir täglich unseren Kindern zuzugestehen und zu vermitteln: Dass, wenn sie fallen, stolpern, sich stoßen oder UNTER WASSER GERATEN; IN EINEM BOOT FESTGESESSEN (!), dass dann eben DOCH etwas passiert ist und nicht NICHTS! Dein motivierter Vater hat bestimmt nur mit guten Absichten gehandelt, damals machte man sich, glaube ich, noch viel weniger Gedanken um solche Situationen und deren Auswirkungen. Ich kann mir vorstellen, dass er gar nicht wusste, was Dir als Kind in Deiner kindlichen Wahrnehmung widerfahren ist und welch langwierige Folgen dieses traumatische Erlebnis für Dich hat(te)! Ich wünsche Dir weiterhin eine gute Selbstheilung, Du paddelst in die richtige Richtung und hoffentlich kreischst Du beim nächsten Bötchen-Stell-Dich-Ein rein aus Freude!
Das Beitragsbild ist der Hammer! 😀