Unser Katerchen machte uns ja schon ein Weilchen Sorgen. An den letzten richtig heißen Tagen dieses Sommers, lag er auf einmal japsend herum. Mal im Garten, mal in der Dusche. Komische Plätze. Er wollte auch nicht angefasst werden oder Gesellschaft haben. Wir ließen ihn also in Ruhe. Da er u.a. eine Herzinsuffizienz hatte, vermuteten wir, dass die hohen Temperaturen und der Wetterumschwung da arg zu schaffen machten. Er war so reduziert in allem, dass wir schon fürchteten, er würde sterben. Von einem Tierarztbesuch sah ich ab, denn das stresst ihn immer arg und ich befürchtete bei der Hinfahrt schon einen Herzstillstand vor Aufregung und Schwäche bei ihm.
Nach 2 Tagen, das Wetter war abgekühlt, lief der Kater wieder seine gewohnten Runden und verhielt sich wieder normal. Dennoch war uns klar, das würde wahrscheinlich sein letzter Winter. Wir bereiteten die Kinder mental darauf vor.
Es vergingen noch ein paar Wochen, in denen er zwei weitere Male ähnliche Atemnprobleme, wie im Sommer hatte. Zudem wurde sein Gang noch steifer (Arthrose), als ohnehin schon und er magerte deutlich ab. Ich bestellte einen mobilen Tierarzt ein, (bei dessen Besuch ich dann ja gebissen wurde), der uns bestätigte, dass es um den Kater nicht gut stünde. Wir waren uns aber einig, dass bei einem alten Tier mit diversen Gebrechen zu viele Interventionen mehr Quälerei als Nutzen wären und man sozusagen lieber palleativ arbeiten könnte.
Wir hatten den Eindruck, dass der Kater ganz glücklich damit war, dass wir ihn in Ruhe ließen. Er wurde zunehmend schlapper, schlief viel, suchte aber von uns allen Nähe, hatte Appetit, drehte wacklige, kleine Runden durch den Garten und auch einmal über die Straße. Da verließ ihn aber die Kraft und er legte sich mitten auf die Fahrbahn. Der Mann fand ihn dort zum Glück und wir ließen ihn danach nur noch unter unserer Aufsicht in den Garten. Weit ging er aber ohnehin nicht mehr.
Am letzten Mittwoch drehte er nochmal eine müde Runde durch den Garten, lag danach schnurrend neben mir und genoss Streicheleinheiten. Abends verlangte er nach Futter. Viel fraß er dann jedoch nicht. Das zähe Kerlchen war nur noch Haut und Knochen.
Wir dachten ständig darüber nach, ob es für ihn besser sei zum Tierarzt zu fahren und ihn einschläfern zu lassen, hofften aber, er würde es alleine schaffen. Die Entscheidung darüber, ob ein Tier eingeschläfert wird oder nicht, musste ich einmal treffen (und es war eine richtige Entscheidung), dennoch fand ich den gezielt zu einem bestimmten Zeitpunkt herbeigeführten Tod auch furchtbar.
Am Donnerstag morgen, den 9. November (ein ohnehin weltpolitisch denkwürdiger Tag) kam ich noch im Dunkeln die Treppe runter, tatstete mich um die Ecke und sah schemenhaft eine Katze im kleinen Flur liegen. Ich wusste, bevor ich das Licht anschaltete, was mich erwartete. Da lag er. Unser Katerchen. Auf der Seite. Als sei er auf dem Weg zur Katzentoilette einfach seitlich umgekippt.
Ich sah ihn mir kurz sehr genau an und musste ihn auch anfassen, um sicher zu sein. Mein Verstand hatte es zwar schon voll erfasst, aber mein Gefühl nicht.
Das wilde Mädchen, welches die innigste Beziehung zum Kater hatte, näherte sich und ich nahm sie in den Arm um ihr zu sagen, dass der Kater tot ist. Laut schluchzte sie los. Es drang bis nach oben, die anderen fragte, was sei. Ich rief: Der Kater ist tot!
Der Mann stand auch auf und fand dann die drei anderen Kinder weinend im Bad. Alle zusammen versammelten wir uns dann um den Kater. Wir weinten zusammen. Wir standen im kleinen Flur um den toten Kater rum wie Falschgeld.
Dann wollten die Kinder nicht zur Schule gehen, weil sie ohnehin nun zu spät kommen würden. Wir sagten, dass sei völlig egal, wenn sie an diesem Tag mal zu spät kämen, aber es sei wichtig zur Schule zu gehen. Ablenkung tut gut.
So verstreuten sich nach und nach alle etwas wirr im Haus und versuchten sich startklar zu machen. Ohne Hektik. Ich beschloss zudem, dass der Kater nicht mitten im Weg liegen bleiben könnte und fand zum Glück einen passenden Karton.
Jetzt kam der Part, den ich vor allem rückblickend absurd, tragisch und komisch zugleich fand. Das wilde Mädchen stand neben mir und fragte, wie ich den Kater jetzt in den Karton heben wollte. Ich sagte, ich wisse auch nicht so genau, wie man so einen toten Körper gut anfasst. Ich versuchte den Kater hoch zu nehmen und stellte fest, dass er bereits in der Leichenstarre war.
Wie lange war er schon tot? Wie fasst man so einen steifen Körper an? Es war so seltsam. Ich entschied mich am Karton eine der Längsseiten runter zu klappen und den Kater dann auf den Kartonboden zu schieben.
Das einst lebendige Tierchen, ließ sich nun, in seiner Laufhaltung versteinert, wie Mrs Norris von Mr Filch bei Harry Potter, in den Karton schieben.
Dieses skurrile Ensemble schob ich zunächst mal ins Wohnzimmer. Ich wusste auch nicht so richtig. Ich dachte, vielleicht müssen die anderen Katzen noch schnuppern. Wobei ich den Eindruck hatte, dass alle drei Katzen schon „Bescheid wussten“.
Wir versuchte den Kindern noch Trost zu spenden, Fragen zu beantworten und alles irgendwie zu verdauen.
Während die Großen dann schon aufbrachen, hörte ich die Hummel laut und fröhlich im Wohnzimmer direkt neben dem toten Kater spielen. Ich möchte sagen, in der Tragik gewinnt die Komik doppelte Leuchtkraft. Das wilde Mädchen musste auch lachen.
Ich brachte die Hummel dann auch in die Kita und der Mann und ich legten uns erstmal ziemlich parallelisiert nebeneinander ins Bett und dachten über die Situation und das weitere Vorgehen nach. Unser Kater. 15 Jahre hat er uns begleitet. Unser „erstes Kind“ sozusagen. Krass.
Da klingelte es an der Tür. Ein Vermessungstechniker stand vor der Tür. Ich hatte den Termin völlig vergessen.
Es riss uns aus unserem benebelten Zustand.
Während die Männer draußen ihrer Aufgabe nachgingen, beschloss ich den Karton zu verschließen und brachte unser „Steiftier“ zum Lagern ins Gartenhaus. Da war es schön kühl. Ich musste mich auch erstmal belesen, wie lange die Leichenstarre anhält, wann der unangenehme Teil der Zersetzung beginnt, um abschätzen zu können, wie hektisch man einen Leichnam verbuddeln muss.
Nachmittags besprachen wir dann mit den Kindern, dass wir den Kater am nächsten Tag beerdigen würden. Wir sprachen noch viel über den Kater und den Tod und dass es im Grunde so gekommen war, wie wir gehofft hatten. Über Traurigkeit und trotzdem auch vielen glücklichen Gefühlen. Dass Gleichzeitigkeit völlig ok ist. Dass Lachen und Weinen im Wechsel normal sind. Dass Trauer nicht bedeutet, dass wir jetzt alle Wochenlang nur noch weinen, sondern jeden ab und an mal ein trauriges Gefühl überkommen kann. Und wenn nicht, dann ist das auch ok.
Die Hummel hatte sehr viele theoretische Fragen. Sie dachte, der Kater steht wieder auf, wenn wir ihn in den Garten bringen, aber ich erklärte ihr, dass tote Körper wieder in Erde verwandelt werden und dass das zwar super gut ist, aber leider eklig aussieht. Und weil wir das nicht angucken wollen, verbuddeln wir tote Körper. Die Kinder wollten auch wissen, was unter der Erde mit dem toten Körper passiert. Ich erklärte, dass nach der Totenstarre verschiedene „Zersetzungsprogramme“ im Körper starten. Dass da eine krasse Chemie am Werk ist und dann Mikroorganismen und Insekten, sowie Würmer tüchtig mithelfen, alles nach und nach in Erde zu verarbeiten.
Am nächsten Tag hatten die großen Kinder und ich mittags Schule aus und wir beerdigten den Kater ohne die Hummel. Wir mussten ganz schön buddeln. Muss ja tief genug sein. Zum Glück war die Erde durch den vielen Regen recht locker.
Es war irgendwie ein schöner Moment. Alle waren ganz engagiert. Wie machten den Karton auch nochmal auf und sahen uns den Kater nochmal an. Dann verbuddelten wir ihn in seinem Karton und setzten Frühblüherzwiebeln auf das Grab. Die Kinder legten noch Steine als Umrandung aus.
Als die Hummel aus der KiTa kam, fand sie es auch voll ok, dass der Kater schon beerdigt war. Sie wollte sich aber das Grab ansehen und legte ihrerseits noch ein Steinchen ab.
Jetzt, ein paar Tage später kann ich sagen: Ich glaube wir haben dieses Ereignis alle gut verpackt und sind ok damit. Und es war auch eine gute Fügung, dass die beiden neuen Katzen schon eingezogen waren, bevor es mit dem Kater zu Ende ging. So ist der Schock des Alleinseins für unser Klüttchen nicht so heftig. Es ist weiterhin Katzenleben um sie herum und wie es bisher anscheint, auch positiv zugetan. Und uns tut das auch gut.
2 Antworten auf „Der Kater ist tot.“
Ich verfolge die Geschichte mit Eurem Katerchen ja auch schon eine Weile mit und habe mich sehr gefreut, dass er es so gut „geschafft“ hat. Ich selbst erinnere mich noch gut daran, wie ich mit meinen Kindern unseren Kater beerdigen musste (leider angefahren, aber kaum sichtbare Verletzungen) und wie ich in den Tagen danach von der Gleichzeitigkeit unserer aller Gefühle überrumpelt war: Trauer, Neugierde, plötzliches Desinteresse, theoretische und philosophische Fragen. Und als nächstes und total unvermittelt „Was gibt’s eigentlich zu Essen, Mama?“
Wie schön, dass die Klütte sich mit der neuen Gesellschaft wohl fühlt!
🖤 denke an euch!
Und ja, für den betreffenden ist es der allerschönste Tod- einfach umfallen…
Mussten im Juni nach 13 Jahren unsere Mausi einschläfern lassen- so furchtbar..