Wir sind eine Familie, die gerne Geschichten hört, liest und anschaut. Wirklich. Wir versuchen immer gut aus zu wählen und schauen, dass es für alle passt. Die Kinder können gut einschätzen, was ihnen zu gruselig ist und was sie erheitert. Die Kinder sind fast 8 Jahre, 6 Jahre und fast 5 Jahre alt.
Wirklich gute Erfahrungen machten wir bisher mit niederländischen und skandinavischen Produktionen. Da man Fernsehfilme schlecht vorab ansehen kann, lese ich in der Regel die Handlungsbeschreibung und Kritiken und kann (konnte bisher) daran abschätzen, ob das passt oder nicht.
Freitag Abend kam dann um 19.30 Uhr im Freitagskino des Kinderfernsehens, was wir gerne als Familie zusammen ansehen, eine norwegische Produktion. „Mein Freund Knerten“.
Der Trailer war ansprechend, das Filmplakat freundlich, die Filmbeschreibung klang gelungen und er wurde sogar als Fernsehtipp angepriesen. Das Prädikat „besonders wertvoll“ bekam er ebenfalls von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).
Das klang alles gut. Ab 0 Jahren freigeben und ab 6 Jahren empfohlen. Das passte für uns auch. Die Kinder wollten ihn unbedingt sehen und so machten wir es uns gemütlich. Wir haben uns auf die vielen positiven Kritiken verlassen.
Was uns erwartete, war ein subtiler Horrorstreifen. Jedenfalls für unser Empfinden. Heiter war da nichts.
Der Film spielt in den 60er Jahren, die Szenen sind in ein etwas gelbliches-braunes Licht getaucht und wirkten auf uns nicht leicht und fröhlich, sondern stets etwas bedrückend.
Der Junge Lillebror zieht mit seiner Familie in ein einsames und baufälliges Haus. Auf dem Weg dort hin muss der Vater anhalten, weil Lillebror mal austreten muss. Dabei sieht er im Wald ein Pferd mit einem blonden Mädchen. Für mein Empfinden hätte auf Grund der Inszenierung dieser Szene schon etwas gruseliges passieren können. Der Vater fährt dann auch noch einfach weiter, ohne Sohn, und unsere Kinder waren sofort entsetzt. Sowas machen Eltern doch nicht! Es stellte sich dann heraus, dass Lillebror sich das nur vorgestellt hatte. Tatsächlich war der Vater nicht weiter gefahren.
Insgesamt geht die Familie nach unserem Erfinden nicht besondern feinfühlig mit mit dem 5 jährigen Lillebror um.
Lillebror findet schließlich ein Stück Ast, welches aussieht wie ein Männchen. Dieser wird sein neuer Freund und Weggefährte Knerten. Der Stockmann Knerten spricht zu Lillebror.
Leicht verstörend wirken die Träume die Lillebror oder Knerten (für Kinder völlig unklar) haben. Der Stockmann Knerten liegt auf dem Waldboden und wird von Ameisen überlaufen. Musik und Szenenlicht wirken unheimlich und duster. Der Traum taucht immer wieder auf.
Dann wird es nochmal irgendwie komisch, als Lillebror immer wieder zwei Mädchen begegnet. Die beiden hätten sich genauso gut in Geister verwandeln können. Sie verhalten sich sehr merkwürdig und unheimlich und wollen Lillebror Knerten abnehmen. Das fanden unsere Kinder auch total blöd.
Subtiler Horror liegt fast permanent in der Luft.
Schließlich muss Lillebror mit hohem Fieber alleine zu Hause bleiben, weil die Eltern arbeiten gehen.
Es wird sehr eindrucksvoll in Bild und Ton der irritierende und verstörende Zustand hohen Fiebers und die damit einhergehende Fantasterei dargestellt. Lillebror atmet schnell und ängstlich. Allein das fanden wir schon unbehaglich. Schließlich sieht man den kleinen Lillebror mit Knerten in dem Flur des Hauses vor der Haustüre stehen. Er wirkt sehr klein und verlassen. Schließlich hört er ein Geräusch an der Türe und durch das Schlüsselloch sieht er grüne Rauschwaden und dunkle Schemen. Wir glaubten fest daran, dass sich diese Szene im nächsten Schritt in eine große Erleichterung auflösen würde. Tatsächlich verschlimmert sich die Situation und Lillebror sieht, wie die Türe aufgeschlossen wird, grüner Nebel wabert herein und eine langgliedrige Klauenhand greift in Zeitlupe zum Türspalt hinein. Die Musik unterstreicht die Szene und ab da war vor allem beim Sohn absolut alles vorbei. Wir Erwachsenen wussten, es würde sich kurz darauf sofort zum Guten auflösen, aber wir musste den Fernseher ausschalten. Die Kinder liefen Amok. Auch für uns Erwachsene hätte der Film in unserem Kopf nun als absoluter Horrorstreifen weiter gehen können.
Die Kinder waren sehr verstört. Und wir sprachen lange darüber, dass das alles Fantasie war, dass da kein Monster gekommen ist, sondern im Fieberwahn hat Lillebror das nur geträumt. Weil er Angst alleine zu Hause hatte. Weil er sich unwohl fühlte. Und wir recherchierten sogar, wer denn da eigentlich zur Tür hinein gekommen sei. All das besprachen wir. Aber die Panik der Kinder konnten wir nur schwer einfangen und werden noch ein paar Tage damit beschäftig sein.
Die Kinder wollten auch auf keinen Fall den Fernseher wieder einschalten, um zu sehen, dass alles nur ein Traum war.
Ich kann nicht verstehen, wie man so einen gruseligen Kinderfilm drehen und ausstrahlen kann. Wirklich nicht.
Ich habe noch ein bisschen recherchiert und fand dann eine einzige Kritik, die unseren Grusel im Ansatz erfasste.
Autor: Michael Kohler, Kulturjournalist und Filmkritiker schrieb am 09.05.2011 auf der Seite:
https://www.kinofenster.de/film-des-monats/archiv-film-des-monats/kf1107-08/mein-freund-knerten-film/
Zitat: „….Ansonsten erscheinen die verlässlich wiederkehrenden Mädchen eher als nahe Verwandte der durch Stanley Kubricks Shining (The Shining, Großbritannien, USA 1980) spukenden Zwillinge. Auch in den Traumsequenzen kommen musikalische und inszenatorische Elemente des Horrorfilms zum Tragen…“
Vielleicht sind wir auch eine besonders zartbesaitete Familie. Keine Ahnung.
Übrigens hatte unsere bald 5 Jährige keine so großen Schwierigkeiten die Gruselszene zu vergessen. Aber der 7 Jährige kommt gar nicht gut zurecht damit.
Wer empfindsame Kinder hat, sollte also um die „Knerten“- Filme, von denen es drei Teile gibt, einen großen Bogen machen.
8 Antworten auf „Subtiler Horror im Kinderfilm- Mein Freund Knerten- eine Filmkritik“
Danke für die Warnung! Ich wollte den eigentlich eventuell mal gucken, aaaaber… naja, meine Große mit ihren 8 Jahren (okay, damals noch 7) bestand darauf, dass Pocahontas ausgestellt wird und Die Unglaublichen wollte sie auch nicht zu Ende gucken. Da dürfte Knerten dann völlig daneben sein.
Knerten geht echt gar nicht.
…so ähnlich ging es mir mit einer unserer allerersten DVD’s „Der kleine Maulwurf“ (den man aus der Sendung mit der Maus kennt); leider weiß ich nicht mehr genau, wie die DVD hieß, es waren jedenfalls ca 20 Episoden drauf.
Meine Kinder waren 4, als wir die zusammen angeschaut haben. Und in der 4.oder 5. Geschichte geht es dann um einen Hasen, der sich verliebt usw und es wird dann sehr, sehr plastisch und detailreich eine Geburt dargestellt, mit „passenden“ Geräuschen untermalt. Ich habe zwar mein Bestes gegeben, das Ganze halbwegs verständlich usw zu erklären,aber seitdem sagt meine Tochter,dass sie keine Kinder haben möchte als Erwachsene.
Keine Ahnung, ob diese Aussage tatsächlich von dem Film herrührt (sie begann auch nicht unmittelbar nach dem Ansehen damit, das zu sagen). Die DVD hatte übrigens auch „Prädikat besonders wertvoll“.
Auf derselben DVD fand ich persönlich auch eine Geschichte mit Pilzen ziemlich gruselig.
Da ist „Die kleine Raupe Nimmersatt“ viel, viel schöner.
Manchmal wundert man sich, was die Macher der Filme sich denken. Beim kleinen Maulwurf hätte ich allerdings auch nichts böses erwartet.
Das ist witzig, denn genau dieses Filmchen mit der Hasengeburt fanden unsere Mädels (damals ca. 3 und 5) total toll. Wir mussten es damals immer wieder angucken und sie haben sich gar nicht mehr eingekriegt, wenn die süßen Hasenbabys aus der Mama gepurzelt kamen. Da gibt es eindeutig unterschiedliche Empfindungen…
Aber generell ist mir auch schon häufig aufgefallen, dass eigentlich schöne Geschichten künstlich mit Angst machenden Elementen versehen werden. Vor Weihnachten waren wir mit den Kindern in „Bo und der Weihnachtsmann“. Eigentlich eine richtig schöne Weihnachtsgeschichte, dachten wir. Aber den Machern des Filmes war es wohl zu langweilig und so wurde ein Helm tragender Fiesling mit zwei zähnefletschenden Kampfhunden auf Maria, Josef und den Esel angesetzt, der ihnen andauernd irgendwo auflauerte. Völlig übertrieben für einen KINDERfilm!!! Das hat uns das schöne Kinoerlebnis richtig versaut…
Hasengeburt? Das muss im zweiten Teil des Films gewesen sein. Filmchen? Es ist ja ein richtiger Film in Kinolänge. Und über die Hälfte haben wir nicht gesehen, weil unsere Kinder bei der langgliedrigen Krallenhand, die um die Tür greift total Amok gelaufen sind. Es klingt, als hätten wir unterschiedliche Filme gesehen.
Knerten ist klasse. Vielleicht geht es eher um kulturelle Unterschiede? Ich bin Norwegerin, habe drei Kinder. Sie lieben die Bücher und die Filme.
Liebe Annette,
nein, ein kultureller Unterschied ist nicht das Problem. Eher die Umsetzung.
Der Film, den wir angefangen haben zu schauen war tendenziell eher etwas duster und die Fieberszene war auch für mich spooky. Das gehört für mich nicht in einen Kinderfilm!
Die Geschichte von Kneten grundsätzlich finde ich eine schöne Idee. Entscheidend ist, wie man sie filmisch umsetzt.