In dieser dritten Corona-Ausnahmezustand-Woche krachte unser Stundenplan in sich zusammen. Also vielleicht krachte auch einfach nur ich zusammen und das zeigte ein bisschen, wer der Motor für das funktionierende Alltagsgeschehen hier ist.
Meine sonst so positive Grundkonkonfiguration war jedenfalls kurzzeitig komplett ausgeschaltet.
Ich denke, das kam vor allem, weil ich in dieser so überaus seltsamen Situation, dieser weltweiten Krise, ankam. In dieser Woche realisierte ich, was Sache ist. Insgesamt kann und will ich mich nicht beklagen, denn wir stemmen das aktuell gut. Die Kinder kommen auch die meiste Zeit wirklich gut mit der Situation zurecht. Wir haben den Garten, das schöne Wetter und Langeweile haben wir auch nicht. Dennoch: WAS wird das jetzt? Wie geht das weiter? Wann hat das alles ein Ende? Wird wirklich alles gut? Wie überstehen wir das alles? etc.pp Ich vermisse auch schon ein wenig andere Menschen zu treffen.
Ein weiterer Faktor, der mich zusätzlich ins Straucheln brachte, waren ein paar Ereignisse im Vorfeld, vor dieser ganzen Corona-Scheiße.
Eine Freundin kam am Anfang des Jahres mit einer äußerst unerfreulichen Diagnose vom Arzt. Da war plötzlich was ganz nah, was man niemandem wünscht.
Bald darauf schwebte in der Familie eine ähnliche Diagnose im Raum, die sich leider bestätigte. ( Im Zuge der besonderen Umstände weltweit wird das auch länger Einfluss auf unser Familienleben haben).
Frei nach dem Motto Et hat noch immer Jot jejange behielt ich aber Mut und Zuversicht. Es wird schon gut gehen.
Dann kam ein Tag, an dem ich mich plötzlich unwohl fühlte. Es war eine Woche vor dem offiziellen Kontaktverbot. Ich hatte ein paar ganz komisch Beschwerden, die am Nachmittag in Übelkeit vor Schmerzen gipfelten und die ich versuchte mit einer Schmerztablette zur Seite zu schieben. Es half nur mäßig. Der Mann war an diesem Tag sehr lange auf der Arbeit, ich mit den Kindern alleine (was mir immer dann besonders auffällt, wenn es mir selbst nicht gut geht). Ich versuchte das Schmerzzentrum zu finden und ertastet schließlich eine Art Ei im rechten Oberbauch. In Anbetracht der beiden unschönen Diagnosen in nächster Nähe und immer noch Schmerz gebeutelt, glaubte ich ganz kurz mal, es sei aus mit mir. Als das Baby schlief, rieb ich mich mit Lavendelöl ein, weil entspannend und so und machte mir eine Wärmflasche, die ich mir mit einem Schwangerschaftsbauchband am Leib fixierte. Ich hatte entschieden nicht zu sterben und einfach mal vom Wahrscheinlichsten auszugehen. Eiergroße Geschwulste die Schmerzen verursachen wachsen nicht von heute auf morgen. Und wenn, dann wäre es sowieso vorbei mit mir. Letzteres kam nicht in Frage. Also ging ich von einer ungünstigen Luftansammlung im Verdauungstrakt aus. Um ordentlich durchgewärmt zu werden, legte ich mich so präpariert mit Sweatshirtjacke über dem Pyjama ins Bett. Ich schwitzte ordentlich und entspannte und siehe da, ich erwachte mitten in der Nacht geheilt. Das Ei war weg, die Schmerzen auch.
Dennoch, wenn man so nachts, und sei man noch so erleichtert, wach wird, kann das Gedankenkarussel ja ganz schön ins Schleudern geraten. Ich machte mir plötzlich Sorgen, was wäre, wenn mir etwas zustoßen würde. Oder noch schlimmer, dem Mann und mir gleichzeitig. Wer kümmert sich dann um die 4 Kinder? Das will und kann ja nicht jeder. Klar, kann man da irgendwie schriftlich was vorbereiten. Aber die ausgewählten Menschen müssten ja einverstanden sein.
Um es kurz zu fassen, die eigene Endlichkeit wurde mir plötzlich bewusst. Für mich allein ist das ganz egal, aber in Anbetracht zu versorgender noch kleiner Kinder bekommt das ein anderes Gewicht.
Am nächsten Tag hatte ich mich von den Schmerzen und den Sorgen erholt und alles beiseite geschoben.
Wenige Tage später kam die Corona-Sache so richtig in Schwung und wir gingen alle in die Quasi-Quaratäne. Die zwei sehr nahen Hochrisikopatienten in unserem nahen Umfeld waren/sind medizinisch gut versorgt, aber die Zunahme der Corona-Fälle rund herum machen einen dann doch bei aller Vorsicht nervös und emotional ist es auch nicht ganz einfach, wenn man weiß, dass man die lieben Menschen nicht besuchen kann. Dass sie niemand besuchen kann. Und dann kommen so Gedanken, die ich sonst immer munter zur Seite schiebe.
Neben den ganzen Einschränkungen im Alltag, haben der Mann und ich aktuell auch eine zusätzliche Einschränkung. Der Mann und ich haben zwar schon länger wenig Zeit allein miteinander, aber seit der Corona-Krise noch mehr. Er ist zwar nun auch den ganzen Tag zu Hause, aber die Kinder eben auch und somit haben wir gar keine Zeit mehr, um mal ohne Kinderohren miteinander zu sprechen.
Hinzu kam das Gefühl von Überforderung (das Chaos im Haus nahm überhand, auch wegen der aktuell wieder aufgenommenen Baustellen im Haus) und ich fühlte mich allein mit der Organisation und Terminierung der Strukturen, welche nun nicht unmaßgeblich von dem Baby beeinflusst werden. Bzw. meine Ressourcen werden vom Baby beeinflusst.
Ich hatte das Gefühl, alle wollen von mir etwas, erwarten etwas und sind dann verärgert, wenn ich mich nicht 5 teilen kann. Und wenn ich dann erklärt habe, warum ich zu einem bestimmten Zeitpunkt gewisse Aufgaben verteile, aber alle keinen Bock haben und glauben, ich täte das um sie zu ärgern, dann kann das schon mal zu einem nervous breakdown führen.
Vielleicht nahm ich das auch alles empfindlicher wahr, als es war. Aber ich fühlte mich allein in meinen Bemühungen eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten.
Und da kamen also das Bewusstsein über die Endlichkeit des Lebens im Einzelnen und im Speziellen zusammen mit meiner gefühlten Überforderung.
Fragen über Fragen und ein emotionales Gefühlsdesaster routierten in meinem Kopf. Kennen bestimmt alle derzeit.
Ich finde, da kann man auch mal einen ganzen Tag weinen und verzweifelt sein.
Der nächste Tag sah nach einem guten Gespräch mit dem Mann bei einem Spaziergang, bei dem die Kinder voraus sprangen (voraus springen mussten 😬, es ihnen aber auch riesen Spaß bereitete), schon wieder besser aus.
Als ich danach zu Hause aufatmete und wieder Zuversicht fasste, musste sich unser emsiges Baby-Mädchen unbedingt selbst den Finger mit einem Topf „zertrümmern“.
Während sie den Topfschrank zum wiederholten Mal ausräumte, war ein kleiner, aber recht schwerer Topf mit dem Rand ganz blöd auf ihren Finger geknallt und hatte eine Art Schnittwunde hinterlassen. Es blutete ordentlich und das Kind schrie und weinte und zappelte ganz aufgeregt.
Ich behielt die Ruhe, beruhigte das Kind, verarztete alles und entschied den Finger zu beobachten. Nirgendwo will man derzeit weniger gern hin, als zum Arzt.
Nachts war ich dann viel wach und kontrollierte den Finger, ob er dick und/oder blau würde und ob der kleine Verband zu eng sei. War aber alles gut.
Dennoch beobachte ich den Finger weiter genau und hoffe sehr, dass er sich nicht entzündet und muss erneut mein aktuell etwas labiles Innenleben vor aufwallenden Was-wäre-wenn-Gedanken mit Worstcase-Ausgang bewahren.
Ihr wisst schon, die Endlichkeit, was alles passieren kann und überhaupt…..
So kenne ich mich gar nicht.
Der Mann meinte allerdings schon, dass ich mit neuem Baby immer erstmal sehr empfindsam war. Da könnte er Recht haben.
Allerdings habe ich gestern Abend schon entschieden, dass ab heute wieder ein geregelterer Tagesablauf stattfindet und das ist schon mal ganz ok gelungen. Wir sind in den Uhrzeiten verschoben, aber das ist jetzt auch egal. Hauptsache es läuft in einer zuverlässigen Struktur. Ich fühle mich wohl, wenn ich in meinen gegebenen Möglichkeiten die Ruder in der Hand habe. Das muss dieses sogenannte Selbstwirksamkeitsding sein.
Wie geht es euch denn so, in diesen verrückten Zeiten? Habt ihr alles unter Kontrolle? Fühlt ihr euch gestresst oder kommt ihr gut klar?
5 Antworten auf „Ein Gefühlstief- Angekommen in der Krise“
Hier war die dritte Woche auch eher schwierig. Die Motivation war sonst wo im Keller… Ein bisschen graut mir noch vor nächster Woche, da sind wir dann mit den Schulaufgaben endgültig durch und haben ‚Ferien’…
Dazu bin ich gefühlt im Dauerbeschuss. Meine Kids (9, 6 und 3 Jahre) haben schon immer eine eher schwierige Geschwisterbeziehung und finden nur selten in einen Spielflow. D.h. sie kommen nur einigermaßen friedlich mit einander klar, wenn ich mitspiele oder was mit ihnen mache. Ansonsten ist hier eher ‚Mord und Totschlag‘.
Haltet durch und bleibt gesund!
Liebe Beatrice,
Ich kann dich so gut verstehen! Die eigene Endlichkeit macht mir im Bezug auf unsere drei kleinen Kinder auch wahnsinnige Angst. Im normalen Alltag hat man ( zum Glück) oft gar keine Zeit darüber nachzudenken – aber was ist im Moment schon normal?
Ich bin jedes Mal wieder so beeindruckt, wir du euren Alltag schaukelst! ALLES WIRD GUT, da glaube ich fest dran!
Bleibt gesund und fröhlich,
Lea
„Nirgendwo will man derzeit weniger gern hin, als zum Arzt.“
Genau so ging es uns vor ca.8 Tagen auch, wir kamen in eine ähnliche Situation, und haben es ganz genau so empfunden. Und überhaupt kamen einige schwierige Situationen ganz geballt zusammen, ähnlich wie bei dir. Unsere Kinder sind zwar schon erwachsen, aber die jüngste ist behindert und ihre Tageseinrichtung ist nur noch für Notfälle geöffnet, die daheim nicht genug versorgt werden können. Die Älteste rief an, sie sei in Quarantäne, da ihre Kollegen positiv getestet seien. Dann wurde sie krank….Sie wohnt in einer anderen Stadt. Für mich war es eine Zerreißprobe. Wie kann ich ihr helfen? Hat sie genug Hilfe? Wie geht es ihr wirklich? Soll ich einfach zu ihr fahren, aber was könnte ich tun? Ich muss ja daheim den Laden am Laufen halten und die Jüngste schützen und beschäftigen. Der DVD Player fiel aus, die Jüngste verstand das nicht und war außer sich. Man konnte fast keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dann bekam sie eine Entzündung, und wir wussten nicht, wie wir damit umgehen sollten. In die Ambulanz? Auf den Montag warten und zum Hausarzt? Der wird sich freuen. Mit Hoffen und Bangen und einer guten Salbe standen wir die Nacht durch, und es trat eine Besserung ein! Selbst bekam ich einen Infekt , dachte, das ist es jetzt, und fürchtete, die Jüngste anzustecken. Sämtliche denkbaren Hausmittel kamen zum Einsatz…
Vielen Dank für deinen Bericht, ich wünsche dir sehr, dass sich die Situation für euch etwas entspannt und du kleine Auszeiten für dich finden kannst. Als unsere vier klein waren, hätte ich mir nicht vorstellen können, sie immer im Haus halten zu müssen…
LG Cornelia
Hallo, auch bei uns verlaufen sich die Strukturen schon am frühen Vormittag. Das mittlere Kind (13) muß extremst motiviert werden, um sein Zeugs für die Schule zu erledigen. Dies lässt sich meist nur mit versprochenen Handyzeiten machen, die dann meist noch maßlos überzogen werden.
Aber er macht es.
Das kleine Kind ( fast 2) freut sich natürlich, daß wir beide den ganzen Tag zuhause sind. Ihm gewöhnen wir die Windel tagsüber ab, soweit die Theorie, Zeit zum Wäsche waschen hab ich ja genug. Er macht gut mit, aber Hauptsache das WLAN, Youtube und das Tablet funktionieren. Dann kann man beide bei Laune halten.
Das große Kind steht kurz vor der Abschlussprüfung seiner Ausbildung, und hat ja auch so gar keinen Bock, sich den Schulstoff selbst anzueignen.
Wir sind zuhause, kleine 4 Raumwohnung, es knallt in jedem Zimmer.
Allein der Gedanke an die Lohnabrechnung bereitet mir arge Kopfschmerzen da wir beide jetzt auf 100% Kurzarbeit sind. Aber auch die ganze Situation, die Angst das meinen Kindern mit Ihrem Asthma was passiert, es ist alles schwierig. Und da ist es glaube ich ganz normal, daß man vielleicht auch mal die Fassung verliert. Und dann muss ich lächeln, da mir mein mittlerer ein Taschentuch gibt, um die Tränen weg zu wischen.
Kopf hoch, wir werden das alle schaffen.
Liebe Beatrice,
was ich im Moment ganz schwierig finde: dass man KEINEN Gedanken zu Ende denken kann.
Von „konzentrieren“, will ich mal gar nicht erst sprechen.
So kommt es dann auch, dass die Gedankenmühlen nachts mahlen, wenn man tagsüber keinen Gedanken zu Ende denken kann.
Und mit erstem Baby wäre ich auch wahrscheinlich relativ schnell zum Arzt gefahren. Aber wie Du schon schriebst: JETZT zum Arzt fahren finde ich auch nicht so toll. Deshalb versuche ich den Kindern immer wieder einzubläuen: passt bitte im Moment noch mehr auf, wir können(wollen!)nicht ins Krankenhaus/zum Notdienst (wenn passiert ja meistens was abends oder am Wochenende).
Haltet durch, ich hoffe, es wird bald wieder alles besser!