Es hat begonnen. Der komplizierte Herbst/Winter ist da.
Die Infektionszahlen mit dem Coronavirus steigen und die ersten Menschen im nahen Bekanntenkreis haben oder hatten es jüngst. Ernsthaft interessiert frage ich dann, wie es den Menschen mit Covid-19 ging. Vor allem frage ich jedes Mal, wie es den Familien mit Kindern damit ging. Wie schlimm waren die Symptome? Hatten es alle in der Kernfamilie? Wie kamen alle mit der Isolation zurecht? War es machbar die Kinder noch halbwegs gut zu versorgen und zu betreuen?
Es ist so, ich hoffe zwar, dass wir verschont bleiben, gleichzeitig fürchte ich, ist es wahrscheinlich weniger eine Frage ob man es bekommt, sondern eher wann. Und dann hoffe ich, dass der Verlauf mild sein wird. Die bisher im näheren Umfeld Betroffenen hatten eher milde Verläufe, fühlten sich allerdings schon ziemlich mitgenommen. Aber das Kernfamilienleben war zu händeln.
Das führe ich mir immer dann vor Augen, wenn mich wie ein Blitz ein kurzer Moment der Panik überfällt, die Was-wäre-wenn-Maschine anspringt und mir ein worst case Szenario auf den Schirm spielt, und habe mich wieder unter „Kontrolle“.
Dennoch fällt es mir zunehmen schwerer vernünftige von übertriebenen Entscheidungen zu unterscheiden. Ich wäge stets ab. Wen können wir wo mit minimalem Risiko treffen? Dabei sind wir schon die ganze Zeit sehr zurückhaltend.
Die Kinder brauchen dringend andere Kinder, jedenfalls hin und wieder und in dieser verknappten Ungezwungenheit am besten die passenden Sparingpartner.
Daneben versuchen wir die Kinder bei Laune zu halten. Es scheint weitestgehend zu gelingen, aber fordert mehr Engagement, als in den bis zum Pandemiebeginn gewohnten Alltagsabläufen. Wir Eltern müssen deutlich mehr auffangen und begleiten. Das hat durchaus schöne und lehrreiche Momente für alle, aber eben auch sehr fordernde und ermüdende Abschnitte. Es ist noch mehr Arbeit und Einsatz gefordert als sonst schon. Frust kommt auf, wenn abgemachte Termine aus Gründen platzen. In den Herbstferien sollten die Kinder endlich nochmal mehrere Reitstunden bekommen. Es musste seitens der Reitlehrerin ausfallen. Ich verstehe ihre Gründe gut, aber die Kinder waren frustriert und ich selbst hatte auch einen ersten Moment kurzer Verzweiflung. Ich wollte auch weinen. Denn welche verlässlichen Freupunkte kann ich denn den Kindern noch bieten? Es ist einfach a l l e s so ungewiss.
Und dann habe ich mich geschüttelt und mir und auch den Kindern gesagt, dass wir da tatsächlich ein richtiges Luxusproblem haben. Denn es fallen Aktivitäten aus, die andere überhaupt nie machen können. Nichtmal ohne Pandemie. Weil einfach Geld und Zeit und Möglichkeiten fehlen. Wir haben es gut. Wir haben uns, wir haben ein gemütliches und sicheres Heim, genug zu Essen und was Warmes anzuziehen. Es ist alles etwas schwierig, beschwerlich und ungewohnt, aber es ist immer noch viel mehr, als viele Menschen auf diesem Planeten überhaupt haben. Also, Augen auf und schauen, was wir im Rahmen unserer Möglichkeiten für uns Schönes machen können. Das ist meines Erachtens auch ein wichtiger Lernprozess für die Kinder. Situationen, die man nicht ändern kann, muss man annehmen und dann im Rahmen der Möglichkeiten was draus machen.
In diesem Zusammenhang habe ich mit den Kindern vor ein paar Tagen Fotos angeschaut vom letzten Jahr. Wir saßen kuschelig auf dem Sofa und versanken in den letzten Monaten. Ah und Oh machten alle immer wieder. Und ich sagte, wir hätten trotz Corona ein paar schöne Sachen gemacht. Das bezog sich nicht mal nur auf Unternehmungen, sondern auch auf Dinge hier zu Hause und im Garten. Das wilde Mädchen sagte gar: Wir haben sogar viele schöne Sachen gemacht!
Das hat mich sehr froh gestimmt. Und ja, trotz aller Dramatik des Jahres, wir haben es bisher für uns persönlich gut gemeistert und einige schöne Erinnerungen geschaffen.
Schöne Erinnerungen sind auch gerade etwas wovon ICH zehre. Es sind schöne Erinnerungen aus den Jahren mit den Kindern, aber auch viele Erinnerungen aus meiner kinderlosen Zeit. Ich merke gerade wie viele Momente ich bewusst abgespeichert habe und gefühlsmäßig sehr intensiv abrufen kann. Ich nutze logischerweise die positiven Erinnerungen, die erfreulicherweise ohnehin überwiegen.
Wieso freue ich mich über die Erinnerungen?
Mich überfällt nicht nur hin und wieder Sorge um unsere physische und psychische Gesundheit. Mich überfällt auch immer wieder eine Art Koller, ein Gefühl nach: Ich brauche ne Pause, eine Unterbrechung. Und obwohl ich, je älter ich werde, zunehmend Ruhe und Natur sehr schätze, so habe ich in regelmäßigen Abständen das Bedürfnis Menschen, Trubel und Großstadtleben zu erleben. Ohne Großstadt kann ich nicht. Köln ist mir sogar fast zu klein.
Dieses Jahr hatte ich definitiv schon genug Natur und Grün und Wald und Wiese. Ja wirklich. Ich bin gesättigt damit. Mein Schneckenhaus liebe ich, aber ich müsste nochmal raus „in die Welt“.
Wenn ich mir etwas aussuchen könnte, wenn alles möglich wäre, so würde ich mir ein Wochenende in einer Großstadt wünschen. Mit einer lustigen kleinen Truppe Freundinnen. Frühstücken im Café, ein bisschen bummeln, vielleicht was Schönes kaufen oder auch nicht, ein heimeliges Hotel, Snacks auf die Hand, Abends ein leckeres Abendessen in einem Restaurant, danach Tanzen und Schwatzen in einer Bar oder so. Ich würde Kleider ausführen, die ich ewig nicht getragen habe und mir Schmuck an die Ohren hängen und zu einer immer noch vernünftigen Zeit mit Wohlgefühl in mein komfortables Hotelbett sinken, um am nächsten Morgen in Ruhe ein wunderbares Frühstück zu genießen. Ja, das würde mir gefallen. Zur Not würde ich es sogar mit den Kindern wagen, in kindgerechtem Zuschnitt, versteht sich. Und statt die Bar auswärts, würde ich mit dem Mann die Hotelbar nutzen, während die Kinder schon auf dem Zimmer schlafen.
Aber das geht gerade alles nicht. Jedenfalls nicht so, wie ich mir das vorstelle. Wegen den Umständen, könnte ich es nicht genießen.
Was sind also meine Möglichkeiten? Kleine Freiräume zu Hause nutzen und Dinge tun, die mir Freude machen, für den Blick „in die Welt“ und auch Austausch nutze ich derzeit besonders gerne Instagram und dann sind da eben noch meine Erinnerungen.
Und die kann ich jeder Zeit auch für 2 Minuten aufrufen und mich an dem wohligen Gefühl auftanken. Da ich gerade Stadthunger habe, nehme ich Großstadterinnerungen.
Als Beispiel:
Mit dem Herbst und Winter verbinde ich viele Erinnerungen mit Berlin. In den Jahren, die ich dort lebte, ging ich zweimal die Woche abends zu einem Tanzkurs. Diese Abende waren mir heilig. Ich liebte die Mädels aus den Kursen und natürlich den Sport. Ich erinnere mich an die U-Bahnfahrten. Ich erinnere mich daran, wie ich im Dunkeln im Nieselregen vor großen schweren Türen zu Hofeingängen auf die anderen wartete. Voller Vorfreude auf den Kurs. Der Nieselregen glitzerte im Licht der Straßenlaterne. Ich fühlte mich sehr frei. Irgendwo da, mitten in Kreuzberg. Im Winter. Es ist keine spektakuläre Erinnerung, aber eine, die mich warm erfüllt.
Ich erinnere mich auch an einem Abend im Grünen Salon. Ein Kollege trat dort auf und wir waren in einer Runde Freunde dort, um ihm zuzuhören. Ein toller Abend. Die Stimmung des Abends ist gespeichert und macht mich froh.
Genauso wie Museumsbesuche, Varieté-Abende und was ich alles so erlebt habe.
Was Bar-Besuche angeht….da erinnere ich mich auch an einen sehr lustigen Abend mit dem Mann in Rom an der Hotelbar. Wir waren die einzigen Gäste an der Bar und hatten Spaß mit dem Barkeeper und ein paar ausgesuchten Getränken. Ich weiß noch genau, wie alles aussah.
Ich suche mir also die passenden Erinnerungen zu meiner aktuellen Stimmung heraus und erfreue mich daran.
Und wenn ich abends unsere Hummel in den Schlaf begleite, liege ich im Dunkeln und Tagträume ein bisschen davon, was ich unternehmen würde, wenn es möglich wäre. Und ich nutze das tolle Gefühl, dass in der Vorstellung alles möglich ist und perfekt. (In der Realität ist das ja nicht zwingend so. Zu große Erwartungen können in der Realität ja quasi nicht erfüllt werden. Ich erwarte daher immer eher weniger und erfreue mich dann an allem, was mir Schönes begegnet.) Aber in der Fantasie ist alles möglich.
Was hat jetzt die Maus damit zu tun?
Mir kam da das Kinderbuch in den Sinn. Frederick von Leo Lionni. Kennen bestimmt alle.
Und Frederick die Maus macht sich auch genau DAS zu Nutze, um durch den grauen, kalten Winter zu kommen.
Wenn ihr es nicht ohnehin auch so macht, versucht es doch mal. 😉