Um 12 stehe ich alleine am Fenster im Kinderzimmer und sehe mir ein doch bemerkenswertes Feuerwerk an, obwohl es keine Böller zu kaufen gab.
Ich bin hin und her gerissen, ob ich nochmal runter gehen soll. Ich lasse es. Ich schaue alleine still und mit gemischten Gefühlen, aber nicht unzufrieden in das bunte Leuchten.
Ich kenne dieses spezielle Silvestergefühl, das rein gar nichts mit Glamour, fulminanter Partystimmung und glühender Verheißung zu tun hat, sondern mit stiller Nüchternheit und innerer Einkehr.
Neben mir schnarchen die zwei jüngsten Kinder. Die beiden großen turnen irgendwo durchs Haus und der Mann hat hat die Terrassentür geöffnet. Das konnte ich hören.
Ein trauriges Bild? Vielleicht. Aber warum eigentlich? Im Grunde doch nur, weil wir an den Jahreswechsel immer Erwartungen haben.
Ich habe mich schon früh vor großen Erwartungen zu bestimmten Terminen befreit. Weitestgehend jedenfalls. So fand ich die gelungensten Silvester tatsächlich in den letzten Jahren hier mit meiner Familie. Die Abende ergaben sich rund um das Racletteessen wie von selbst. Und so stellte ich mir dieses Jahr auch so ein fröhliches Beisammensein vor, mit Musik und Luftschlangen und Spielen. Ich hatte, wenn man so will, eine Erwartung.
Fürs Essen war gesorgt, die Kinder waren voller Vorfreude und ich sah mich schon mit allen nach dem Essen zu lustiger Musik tanzen. Aber es kam anders.
Es lief nicht rund. Die Kurzfassung: Eine unzufriedene Hummel, die weder schlafen wollte noch Musik hören. Kinder, die als einziges Ziel hatten vor der Glotze rumzulungern. Der Mann hatte auch so seine Vorstellungen und dazwischen ich. Genervt, gelangweilt und beschwipst. (2G plus sozusagen. 😜)
Wäre es ein normaler Abend gewesen, wäre es komplett egal gewesen. Aber es war ja Silvester. Nur deswegen empfand ich dann alles doch als doof.
Ich hätte nur die Situation in die Hand nehmen können und alle zu Abenteuer Spaß und fetzigen Sachen anstacheln können. Wir hatten sogar noch eine kleine Konfettikanone. Wir hätten Dart spielen können. Oder Uno. Eine zweite Runde Raclette essen. Musik und Tanz hätte es auch geben können. Aber der Wein machte mich etwas bleiern und irgendwie hatte ich auch keine Lust darauf wieder die Animateurin zu spielen. Ich möchte auch mal animiert werden. Ich möchte mal mitgerissen werden. Versteht ihr was ich meine? Üblicherweise haben alle in diesem Haus irgendwelche Erwartungen an mich. Ich soll mich kümmern. Ich soll unterhalten. Ich soll mir Beschäftigungen ausdenken. Ich soll immer irgendwas. Ich würde aber gerne mal nicht sollen, sondern Lust haben mitzumachen bei irgendwas.
Und so stehe ich da alleine im Dunkeln, freue mich über die bunten Raketen (und seien sie noch so umweltschädlich)und mache mir so meine Gedanken darüber, ob und was ich ändern möchte.
Was ich auf jeden Fall gerne möchte ist, dieses Jahr unvoreingenommen mit seinen Höhen und Tiefen begrüßen.
Hallo 2022. Willkommen.