Wahrscheinlich denken jetzt alle, das sei so ein Spruch, wie „von der Tarantel gestochen“. Aber nein.
Als nächstes denken nun alle, eine der neuen Katzen hätte gebissen. Auch nein.
Ein Kind ist auch nicht unvorsichtig gewesen.
Sondern ich. Und ihr glaubt nicht, wie oft ich das alles in den letzten Tagen erzählen musste.
Es trug sich am Montag zu. Ich fühlte mich immer noch schlapp vom noch nicht ganz durchgestandenen Infekt und brach schnell in Schweiß aus. Am Nachmittag kam ein mobiler Tierarzt wegen unseres alten und schwachen Katers. Er hatte in den letzten Wochen dreimal Anfälle von großer Kurzatmigkeit, Schwäche und wahrscheinlich auch Schmerzen, abgemagert war er außerdem, so dass wir schauen wollten, wie man ihm Linderung verschaffen kann. Der Tierarzt war sehr nett und unser Kater insgesamt auch nicht wirklich gestresst.
Die Kurzatmigkeit, bestätigte der Tierarzt, kommt vom Herzen. Der Kater hat etwas Wasser in Lunge und einer Herzkammer. Insgesamt nicht gut. Aber auf Grund seiner Bewegungen, war klar, die Arthrose tut arg weh. Dagegen gibt es eine Spritze, die bei vielen Katzen 4 Wochen lang Linderung verspricht.
Da unser Kater insgesamt ein Schaf im Raubtierpelz ist, sich derzeit ziemlich zerbrechlich anfasst und er außerdem recht entspannt wirkte, hielt ich ihn ohne Schutzvorkehrungen (Handschuhe oder Handtuch) fest, als der Tierarzt die Spritze setzte. Ich kann nicht sagen, ob ich mich einfach dusselig angestellt habe oder der Tierarzt die Spritze ein bisschen blöd platziert hat oder beides zusammen, jedenfalls schien der Kater einen heftigen plötzlichen Schmerz zu spüren und biss reflexhaft in Richtung Schmerzquelle und da war leider mein Zeigefinger im Weg.
Fühlte sich an, wie kurz getackert worden zu sein. Unter der rechten Zeigefingerkuppe bluteten zwei Punkte und neben dem Fingernagel oben einer.
Ich ließ es zunächst bluten, spülte es dann unter Wasser, desinfizierte es und verband es mit einer sterilen Kompresse. Es zwiebelte ordentlich, aber sah unspektakulär aus.
Kurz dachte ich, ich warte mal ab, erinnerte mich aber daran, dass Bisse generell nicht ohne sind und Katzenbisse besonders tückisch.
Ich fuhr also zu meiner Hausärztin, nicht ohne fast zu weinen, weil alles doof war. Ich war immer noch schlapp, schwitzig und jetzt auch noch in den Finger „getacktert“. Nachdem ich der Sprechstundenhilfe erzählt hatte, was geschehen war, wiederholte ich alles auch nochmal für die Hausärztin. Nach einer Wundbegutachtung und der Bestätigung, das ich alles richtig gemacht hatte, bekam ich ein Breitbandantibiotikum aufgeschrieben.
Selbiges nahm ich bereits am Montag zweimal ein, dennoch entwickelte sich binnen weniger Stunden eine gemeine Entzündung. Der Finger pochte, schmerzte extrem und wurde dick und rot.
Dank Schmerztablette konnte ich die Nacht überstehen und machte mich Dienstags morgen wiederholt auf den Weg zur Hausärztin. Zum Glück konnte mich der Mann begleiten. Der Finger schmerzte so, dass ich weder Fahrrad noch Autofahren mochte. Absurd, was ein schmerzender Finger ansrichten kann. Ein bisschen durch den Wind war ich auch. Tja, und als die Ärztin den Finger sah, stellte sie mir prompt eine Krankenhauseinweisung aus. Mir war das recht. Hauptsache der Schmerz und das Pochen hörte auf. Zumal so eine Infektion ja ganz und gar nicht ungefährlich ist. Eine rote Linie wanderte nämlich auch schon den Finger hoch.
Im örtlichen Krankenhaus sprach ich also vor. Der Finger sah im Verband sehr unspektakulär aus, weshalb die Dame am Tresen ob der Einweisung etwas irritiert war.
Sie sprach dann in ein Telefon, eine 46 Jährige Frau (Wen zum Kuckuck, meinte sie nur? Prompt bekam ich eine seltsame Außenansicht auf mich selbst :-D) mit einer angeblichen „Ich-weiß-nicht-was-setzt-das-passende-Fachwort-gerne-selbst-„ein. Dann nickte sie uns zu, schob uns einen Berg Unterlagen zum Unterschreiben über den Tresen und wies uns an, im Wartebereich Platz zu nehmen.
Dort saßen wir einen Augenblick und ein Pfleger kam gemächlich den Gang entlang, schaute auf meinen Finger und murmelte so etwas wie: „Der muss bestimmt aufgeschnitten werden.“ und ging unbeeindruckt weiter.
Ich kam dann recht schnell in der Ambulanz an die Reihe und durfte meinen Finger einem Chirurgen, einer Ärztin, einem Praktikanten, einer Krankenschwester und dem Pfleger aus dem Gang präsentieren. Nicht ohne nochmal zur berichten, dass es meine eigene Katze in einer Stresssituation gewesen war.
Ich fand übrigens das Aufgebot beruhigend und beunruhigend zugleich. Wenn es nun ganz schlimm um mich stünde, wären genug Menschen da, um das zu bemerken. Gleichzeitig dachte ich, das muss ja ein schlimmes Problem sein, wenn so viele Leute im Raum sind. Ziemlich wahrscheinlich lag es aber daran, dass erstens nicht viel los war und das chirurgische öffnen eines Katzenbisses auch nicht täglich vorkommt und demnach ein prima Lernbeispiel war. Aber in hilflosen Situationen neige ich gern mal zu irrationalen Verirrungen.
Die Ärztin sagte dann noch: „Da haben sie jetzt länger von!“
Ich war voller Vorfreude. NICHT
Mein Kreislauf meldete auch schon etwas Unbehagen an und die 46 jährige Frau drohte in ein sehr unangenehmes Kopfkino abzudriften. Ich rutschte etwas unbehaglich auf meinem Stuhl hin und her, als erklärt wurde, dass nun mit örtlicher Betäubung die Bissstellen aufgeschnitten werden müssten. Ich glaube Vollnarkose mit Amputation hätte mich in diesem Moment weniger verschreckt. (Ich sagte ja schon, irrationale Verirrungen). Aber ich hatte in meiner Kindheit schon mal das Erlebnis eines tauben Fingers zwecks Entfernung einer Warze und hatte so diffuse Erinnerungen an dieses Gefühl nichts zu fühlen und gleichzeitig doch.
Ich durfte mich hinlegen und ich bat zur Sicherheit um ein Kotztütchen. Einfach nur für meinen Kopf. Man weiß ja nie.
Der Chirurg setzte eine Betäubungsspritze am Fingeransatz. Ein taubes Gefühl breitete sich recht zügig aus, bis am Ende mein Finger nur noch ein gefühlt gummiartiger Auswuchs ohne Nerven war.
Der Chirurg überprüfte vor dem Einsatz seines Schneidewerkzeuges freundlicherweise mehrfach, wann die Betäubung ihre volle Wirkung entfacht hatte.
Ich hab nicht hingeguckt. Beim ersten Versuch pikste es noch. Beim zweiten Mal war es unangenehm. Da meinte der Chirurg zu den Kolleg:innen, Frauen seien krass schmerzresistent, drückte oder pikstet nochmal an meinem Finger rum und sagte: Aber DAS tut weh, oder? und ich sagte wahrheitsgemäß, ich würde es spüren, aber es sei zum Glück nur unangenehm. „Ein Mann wäre schon längst von der Liege gesprungen.“ sagte er, als müsse er sich dies nochmal selbst bestätigen.
Ich dachte nicht weiter darüber nach und konnte, als ich final tatsächlich keinen Schmerz mehr fühlte meine Gedanken einigermaßen gut ablenken, während an meinem Finger die Bissstellen aufgeschnitten wurden.
Mit einem Verband und einer Schiene, die der murmelten Pfleger vom Flur wortlos für den Finger anreichte, sowie einer noch angepassteren Antibiose und der Empfehlung, ich bräuchte ein gutes Schmerzmittel, wurde ich schließlich entlassen.
Als die Betäubung nach lies, wusste ich, das mit dem Schmerzmittel war kein Spaß. Scheiße, tat das weh. Und es puckerte noch. Ich konnte die Nutzung des rechten Armes trotz Schmerzmittel für den Tag komplett vergessen.
Am nächsten Tag jedoch waren die Schmerzen auf erträgliches Maß zusammen geschrumpft. Die Antibiose schlug an. Übrigens verschwanden damit auch die Reste meiner Halsentzündung sehr plötzlich. Die Wundkontrolle war nochmal unangenehm, da der Verbandswechsel schmerzte. Heute kann ich meinen Arm wieder fast normal nutzen und die zweite Wundkontrolle gestern ergab auch erstmal Entwarnung. Ich nehme jetzt brav 10 Tage das Penicillin weiter, wie aufgetragen und hoffe, die Sache ist damit erledigt. So ganz traue ich der Sache noch nicht, denn die Bisstelle neben dem Fingernagel war von Anfang an eine blöde Stelle und schmerzte extrem. Und ich bin unsicher, ob diese Stelle heute nicht schon wieder etwas empfindlicher ist, als gestern. Insgesamt ist der Finger ohnehin komisch empfindlich, aber weniger schmerzhaft, als vielmehr so ein bisschen wie unter Strom, wenn ich dran drücke. Die 46 jährige Frau hat außerdem Verspannungen in Nacken und Feinmotorikaparat, wegen permanenter Schonhaltung.
Ach ja.
Was mir in diesem ganzen Zusammenhang einen Moment Spaß bescherte: Als eine erste Klasse heute fragte, was ich denn da für einen Verband an meinem Finger hätte, da sagte ich „Den hab ich da dran gemacht, damit ihr besser seht, wenn ich mich melde.“
Haben se mir nicht geglaubt. Komisch.