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Zirkus-Familienfreizeit in der Jugendherberge Nettetal-Hinsbeck

Pressereise

In diesen Osterferien reisten wir zum ersten Mal zu einer der verschiedenen Familienfreizeitangebote der Deutschen Jugendherbergen. Das Thema der Familienfreizeit war Zirkus.

Ich schicke sofort vorraus, dass wirklich alle unsere Kinder nicht wieder nach Hause wollten und sie nächstes Jahr unbedingt wieder mitmachen möchten! Und zwar am liebsten mit genau  der selben Gruppe! ❤️ Wir Eltern sind auch voller wunderschöner und rührender Eindrücke und werden dem Wunsch der Kinder sehr gerne wieder nachkommen. Aber das war nicht sofort klar. Lest selbst den Werdegang.

Zunächst war die Idee, dass ich lediglich mit unserer Jüngsten, der Hummel, und vielleicht noch unserer Drittklässlerin in der ersten Osterferienwoche reise. Denn Zirkus ist hier ja vor allem bei unserer Hummel ein Dauerbrenner. Überraschenderweise wollten die anderen Familienmitglieder dann aber auch mit und so ging es Samstags tatsächlich für uns alle los Richtung Nettetal-Hinsbeck nahe der niederländischen Grenze.

Einige von uns waren voller Vorfreude, Vater und Sohn waren  gespannt, aber auch etwas skeptisch. Wie sehr getaktet wäre das Programm? Muss man bei allem mitmachen? Ausschlafen kann man wahrscheinlich auch nicht und was kommen da für Leute zusammen? Ich hoffte sehr, dass für alle Kinder annähernd passende Altersgenosse:innen dabei sein würden. Damit würde der Erfolg der Woche stehen oder fallen. Zudem ist die Hummel ja Fan eines bestimmten Zirkus, von dem sie regelmäßig eine DVD schaut und dadurch ganz genaue Vorstellungen von allem hat.

Zur Ankunft begrüßte uns das Zirkuszelt der „Zirkus-Jugendherberge“ Nettetal-Hinsbeck im strahlenden Sonnenschein. Das blau-gelbe Zelt leuchtete auf der großen Wiese hinter dem Gebäude. Die Hummel eskalierte vor Freude und staunte minutenlang am Fenster unseres Zimmers, denn wir hatten tatsächlich auch noch ein Zimmer mit freier Sicht auf das Zirkuszelt. 

Unser Zimmer war ein sonniges und geräumiges 6-Bettzimmer mit zwei Bädern. Ein kleines Bad mit Waschbecken und Toilette, ein etwas größeres Bad mit zwei Waschbecken und einer Dusche.

Alles sauber und gemütlich. Die Familie, außer der Hummel, war aber zunächst im Motzmodus. Wir kamen uns beim Auspacken der Koffer und beim Beziehen der Betten irgendwie in die Quere. Alle moserten vor sich hin. Großfamilien-Reiseanfangslaune-Spezialedition.

Nachdem wir uns eingerichtet hatten, begaben wir uns auf kurze Erkundung des Geländes. Die Jugendherbere Nettetal-Hinsbeck liegt mitten im Grünen. Hinter der Jugendherberge liegen große Wiesen mit Volleyball-und Fußballfeld, Tischtennisplatten und dem Zirkuszelt. Außerdem gibt es einen großen Feuerplatz und eine Terrasse mit Sitzgelegenheiten. Vor dem Haus findet man direkt gegenüber einen großen Spielplatz und einen Wald, der auch zum Spielen einlädt.

Als zusätzlichen Bonus gibt es einen angrenzenden Kletterwald, der jedoch nicht zur Jugendherberge gehört.

Im Haus selbst gibt es einen Spielekeller mit Kickern und Tischtennisplatte und eine Disco und im restlichen Gebäude eine Chillecke und viele gemütliche Sitz-und Verweilmöglichkeiten. Gesellschaftsspiele können auch ausgeliehen werden. 

Wir fanden uns dann zum gemeinsamen Abendessen ein, bei dem der „Zirkusdirektor“ uns herzlich und mit viel Witz begrüßte und einige organisatorische Worte an alle Teilnehmer:innen richtete. 

Nach dem Abendessen trafen sich dann alle zum ersten Mal im Zirkuszelt, um die möglichen artistischen Angebote auszuprobieren. 

Ich versuche es mal.
Die Hummel staunt über den Mut anderer Kinder auf dem Schwebebalken.

Dabei fiel den Kinder auf, dass es einige Teilnehmer:innen gab, mit denen (Zitat eines der Kinder) „irgendwie was anders“ war. Und tatsächlich nahm u.a. an dieser Freizeit eine größere Gruppe Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen teil. Da unsere Kinder zwar in einer inklusiven KiTa waren (und die Hummel noch ist) und Rollstühle und andere sichtbare Behinderungen ihnen nicht fremd sind, waren zwei Kinder leicht irritiert. Sie hatte Fragen. Ich bemerkte aber auch bei den anderen Kindern einen Anflug von Berührungsängsten und gleichzeitigem großen Mitgefühl. Eines der großen Kinder fremdelte so sehr, dass der Wunsch nach einer schnellen Heimfahrt laut wurde. Der erste Eindruck des Kindes war zudem, dass es keine Gleichaltrigen gäbe.

Wir sprachen später im Zimmer über die Gründe, warum wir schnell irritiert sind, wenn wir auf Menschen mit Behinderung treffen (zu wenig sichtbar im öffentlichen Alltag etc) und darüber, dass man allem immer erstmal eine Chance geben muss, um wirklich gut zu entscheiden. Zumal mir aufgefallen war, dass es sehr wohl Kinder im gleichen Alter unserer Großen gab und diese vielleicht auch Geschwisterkinder von einem Kind mit Behinderung waren. Ich erklärte nochmal, dass manche Behinderungen angeboren sind, viele aber auch erst später erworben werden und dass wir ja auch Familien kennen, die Geschwisterkinder mit Behinderung haben. 

Wir konnten die Kinder überzeugen erstmal den nächsten Tag abzuwarten und nicht sofort aufzugeben, weil ihnen zunächst alles ungewohnt und anders als gedacht erschien.

Am nächsten Morgen sah die Welt schon anders aus. Nach einem leckeren Frühstück sollten sich im Zelt alle, die bei der Zirkusvorführung am Mittwoch mitmachen wollten, zu Artisten-Gruppen zusammen finden. Die Teilnahme war freiwillig, aber tatsächlich wollten alle mitmachen. Sogar der Mann, welcher sich sonst eher im Hintergrund aufhält, schloss sich  einer Gruppe an. Unsere Teenagerin fand schwupp die wupp ein paar Menschen, die ihre Akrobatik-Leidenschaft teilten und selbst schon Zirkuserfahrung hatten, der Mann und der Sohn konnten sich u.a. für Zauberei und der Mann außerdem für Feuerspucken begeistern. Unsere Drittklässlerin fand sich in einer lustigen Runde Rope Scipper:innen wieder. Die Hummel jedoch konnte sich nicht entscheiden. Sie torpedierte meine romantische Vorstellung, in der ich mit ihr zusammen eine Zirkusnummer einstudiere. Stattdessen tingelte ich mit ihr zwischen allen Disziplinen herum und probierte immer wieder etwas mit ihr aus. Begeistert war sie pausenlos, aber auch schüchtern. Sie war einfach zu aufgeregt. Sie rannte auch viel aus dem Zelt und wieder in das Zelt.

Zur Auswahl standen: Jonglage, Akrobatik, Wings (ein Tanz mit „Flügeln“), Zaubern, Rope Skipping, Fakire, Equilibristik, Clowns, Einradfahren, Balancieren auf dem Schwebebalken.

Für die Hummel war es schwierig, da viele fremde Erwachsene zugegen waren (Eltern Betreuer:innen, Zirkuspädagog:innen) und sie unter anderem auch ansprachen, um Hilfestellung zu leisten oder etwas zu zeigen. Und sie vermisste die Möglichkeit am Trapez etwas zu machen und den „echten“ Zirkusdirektor, den sie von ihrer Lieblings- DVD so gut kennt. 🙂 Dies hielt jedoch nicht lange an, denn der Zirkusdirektor der Jugendherberge machte eine ausgezeichnete Moderation und brachte immer wieder alle zum Lachen. Und mit jedem Tag wurde die Hummel auch gelassener und aufgeschlossener.

Zum Mittagessen war die Stimmung schon anders. Alle waren sichtlich zufrieden mit dem Verlauf des Vormittags und niemand sprach mehr von voreiliger Abreise. Erste Ideen für Vorführungen und ein Zirkusname war mit allen gemeinsam gefunden worden. Im Übrigens wurde allen Teilnehmer:innen viel Freiraum gelassen. Jeder konnte seine ganz eigenen Ideen und Vorerfahrungen mit einbringen.

Am Nachmittag wurden dann zwei Spiele, die über mehrere Tage parallel laufen würden, erklärt und gestartet. Danach bemalten wir weiße T-Shirts mit Zirkusmotiven, mit dem von uns allen ausgewählten Zirkusnamen und unseren persönlichen Namen auf dem Rücken.

Abends gab es einen Discoabend für alle Interessierten.

Am nächsten Tag gab es zwei Zirkusproben am Tag. Morgens und Nachmittags. Da das Wetter uns mit Wärme und Sonnenschein beschenkte, konnten viele Proben draußen stattfinden. Die Hummel entschied sich dann tatsächlich doch noch für eine Darbietungsmöglichkeit. Wir übten einen Equilibristiknummer ein, bei der die Hummel einmal auf einer großen Rolle und einmal auf einer großen Kugel balancieren würde. Ich assistierte lediglich im Hintergrund und gab Hilfestellung oder sicherte ab.

Traumwetter und glückliche Menschen.

Abends konnten alle nochmal ins Zelt kommen, um an einem Spieleabend teilzunehmen. Fair gemischte Gruppen mussten gegeneinander spielen und was hatten wir Spaß, obwohl ich persönlich meistens eher zurückhaltend bei solchen Aktivitäten bin! 

Dienstags fanden morgens nochmal Proben statt und nachmittags hatten alle zur freien Verfügung. Trotz der tollen Angebote rund ums Haus, fuhren wir nach Venlo ( ca 20 Minuten entfernt) mit der Idee, dass die mittlerweile sehr müde Hummel mal einen kleinen Powernap im Auto machen würde. Denn die Hummel fand abends nicht zur Ruhe, weil sie alle paar Minuten aus dem Bett kletterte, um mit einem Blick aus dem Fenster zu überprüfen, ob das Zelt noch da stünde. Der Plan mit dem Powernapping ging auf. Das war sehr gut. 

Abends wurde dann eine Nachtwanderung angeboten. Unsere Drittklässlerin hatte sich schon ein paar Mädels organisiert, die mit ihr gehen wollten. Die großen Geschwister mussten wir ein wenig anschubsen doch auch mitzugehen. Der Mann und ich blieben mit der Hummel im Zimmer, damit sie möglichst zeitig einschliefe. 

Und was soll ich sagen? Die großen Kinder kamen alle begeistert wieder zurück. Die Wanderung war auch top organisiert und angeleitet gewesen. Und eines unserer großen Kinder hatte viel Feingefühl bewiesen und hatte sich einem ängstlichen Teilnehmer angenommen und zusammen mit ihm eingehakt die Nachtwanderung absolviert. 

Mittwochs war dann der große Tag. Morgens Generalprobe und Nachmittags Galavorführung. Alle waren ganz aufgeregt. Von Berührungsängsten war nichts mehr übrig. 

Hier ist unsere älteste Tochter (in der Luft) mit ihren Akrobatikpartnerinnen bei der Generalprobe zu sehen.

Schon bei der Generalprobe musste ich weinen vor Rührung! Die ganze Zeit! Wegen allem!

Nicht genug, dass in den paar Tagen große und kleine Menschen mit und ohne Behinderung schon eine Menge Spaß zusammen hatten, nun standen alle gemeinsam in der Manege. Eine wahrlich bunte Gesellschaft mit unterschiedlichen Fertigkeiten brachten eine einzigartige Zirkusshow zustande. Und diese unbändige Freude bei allen Teilnehmer:innen! Kleinste Tricks wurden zu riesen Erfolgen, Handycaps zu Stärken. Kleine waren ganz groß und Große wunderbar albern. Diese bunte Mischung kommt so wahrlich viel zu selten zu Stande, dabei ist sie für alle ein echter Gewinn. Ich würde sagen, alle Teilnehmer:innen haben etwas gelernt und sind gewachsen.

Die 5 Tage klangen dann aus mit einem gemeinsamen Lagerfeuerabend und alle schwelgten in der Erinnerung der letzten Woche. Strahlende Gesichter im warmen Feuerschein.

Diese Woche geht für uns damit in die Sammlung der schönsten Familienerlebnisse ein und die Kinder würden am liebsten schon heute für das nächste Jahr buchen.

Ein paar Informationen am Rande: Einige der Teilnehmer:innen waren schon zum wiederholten Mal dabei. Einige kommen sogar schon seit einigen Jahren immer wieder begeistert zur Zirkus- Familienfreizeit und bringen zum Teil noch eigenes Zubehör, wie Einräder oder Balanceboards mit. Wer da jeweils zusammen kommt ist natürlich auch Zufall. Obwohl wir und einige andere Familien ganz neu dabei waren, wurden wir herzlich und ganz selbstverständlich aufgenommen und ermutigt teilzunehmen. Es gab keine eingeschworene Grüppchenbildung. Auf jeden Fall kann man sagen, dass die Jugendherberge barrierefrei ist und Menschen mit Behinderung herzlich willkommen sind und wirklich auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten in sämtliche Aktivitäten mit eingebunden werden.

Die Tage sind gut und abwechslungsreich organisiert, 4 Mahlzeiten in festen Zeitfenstern und Aktivitäten für jeden Tag. Ich persönlich fand das wunderbar. Nicht überlegen müssen, was gekocht werden soll, nicht einkaufen, nicht putzen und nicht verantwortlich für die Tagesplanung sein. Dazu kommt, dass ich meinen Kopf komplett freigepustet habe. In den 5 Tagen war mein Alltag komplett aus meinem Kopf verschwunden. Die festen Abläufe fand ich sogar entspannend. 

(Es gibt übrigens einige ganz tolle Fotos, auf denen aber immer viele Menschen zu erkennen sind und aus privatsphäre Gründen zeige ich sie deshalb nicht.)

 

2 Antworten auf „Zirkus-Familienfreizeit in der Jugendherberge Nettetal-Hinsbeck“

Ein ganz toller Bericht ❤️
Ich finde es super, dass ihr die Gefühle gegenüber Menschen mit Behinderungen thematisiert und aufarbeiten.

Liebe Grüße.
Rebekka (Schwebebalken)

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