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Erziehung und Realität Es könnte so einfach sein

Opas Reinkarnation schlägt wieder zu.

ODER: Ein „vergnüglicher“ Ausflug zum Kinderarzt.

Die Mädchen schnupfen ja schon eine Weile vor sich hin und haben mich erfolgreich angesteckt.
Wäre ich Arbeitnehmer, würde ich mich ein paar Tage krank schreiben lassen und stumpf auf der Couch liegen bleiben, lesen, schlafen, Tee trinken und essen. Nun bin ich kein Arbeitnehmer und obendrein Mutter von 3 kleinen Kindern. Da gibt es keine Krankschreibung, bzw selbst wenn, der Part mit der Couch entfällt.
Das Sirenchen ist an sich fit, hört aber seit gestern sehr sehr schlecht. Also akustisch. Heute morgen war es besonders arg. Und das Knöpfchen erwachte wieder mit Schnupfenkrusten an Nase und Augen und meinte ein Ohr pieke. Ich selbst habe auch ein verstopftes Ohr.
Ich entschied: Wir fahren zum Kinderarzt. Jetzt reicht es. Unsere bisher angewandten Medikamente tun´s scheinbar nicht. Ich bekam einen Termin um 10:40.

Somit bat ich den Sohn sich schon mal für den Kindergarten anzukleiden und erklärte den morgendlichen Ablauf. Der Sohn wollte dann nicht in den Kindergarten, weil die Mädels ja an seine Playmobilsachen gehen könnten. Das haben sie gestern leider unerlaubt getan. Ich kann seine Sorge dahingehend verstehen und wir machten ab, dass das Hochbett wirklich und versprochen tabu ist. Das Sirenchen hatte plötzlich verstanden, was Sinn und Zweck von gegenseitigen Versprechen sein könnte.
Doch der Sohn sah das nicht ein und wollte nun auf seinem Hochbett spielen, anstatt in den Kindergarten zu gehen. Die Aussicht, dass er dann aber auch mit zum Kinderarzt müsse, gefiel ihm hingegen auch nicht. Er wollte JETZT spielen. Den ganzen Morgen. Aber das würde so oder so nicht gehen.
Also: Ab in den Kindergarten! Keine weitere Diskussion. Danke, reicht.

Ich stand schließlich mit fertiger Brotdose am startklaren Fahrrad und wartete auf den Sohn. Der weigerte sich anzutreten. Ich bat ihn mehrfach freundlich und erklärte nochmals mein Zeitfenster und dass ich ziemlich platt sei und gerne bevor ich die Reise zum Kinderarzt antrete, noch etwas frühstücken wolle.
Er wollte es nicht einsehen. Ich drohte schließlich damit, dass ich dann das Playmobil sicher verpackt in den Keller stellen müsse, wenn das so einen Stress bedeutet.
Da kam er maulig und motzend und nur im Unterhemd. Sein Shirt in der Hand. Widerwillig zog er sich an und wollte weiter und weiter diskutieren und stieg weiter maulend in mein Fahrrad. Die ganze Fahrt lang laberte er dann auf mich ein. Oaaaar, und das ohne Kaffee.

Im Kindergarten versuchte ich ihn mit ein paar Flaxereien aufzuheitern. War nix zu machen. Stattdessen pfefferte er seine Brotdose durch den Flur. Ich erklärte nochmal meine Situation mit dem Arzttermin, dem Frühstück und meiner desolaten Fitness. Keine Chance. Er warf seine Brotdose dann in den Gruppenraum und weigerte sich hinein zu gehen. Beim zweiten Anlauf war er dann IM Raum, bleib aber motzig und ich ging. Nicht schön, aber MANN, ICH HABE AUCH WÜNSCHE, BEFINDLICHKEITEN UND BEDÜRFNISSE! UND vor allem AUFGABEN!

Zu Hause nach dem Frühstück brachen die Mädchen und ich auf. Ich wollte in meinem Zustand nicht 30 Minuten hin und 30 Minuten zurück Rad fahren. Im Regen. Also nahmen wir den Bus. Der fährt fast vor der Haustüre los.
An der Bushaltestelle sitzend erlaubten sich die Damen dann die erste Entgleisung des Tages. Ein junger Mann gesellte sich zu uns und das Knöpfchen sprach mit hellem Stimmchen und neckischem Grinsen: „Das ist ein Idiot!“

😳
Während ich hoffte er hätte es mit den Kopfhören im Ohr nicht verstanden, fragte er zum Glück lachend: „WAS hast du gesagt?“
Knöpfchen und Sirenchen grinsten um die Wette. Und das ist ihr Glück, sie sind noch süß und man sah ihnen an, dass sie nur necken wollten.
Dennoch!

Ich selbst war kurz sprachlos und schämte mich. Diese Kinder habe ich noch nie gesehen, wollte ich sagen.

Stattdessen wies ich die beiden darauf hin, dass Scherze erlaubt seien, aber Gemeinheiten und Unverschämtheiten verboten.
Sie „flirteten“ dann bis der Bus kam mit dem humorvollen jungen Mann.

Bis ins Wartezimmer vom Kinderarzt lief dann alles gut. Dort mussten wir ganz ungewöhnlich tatsächlich mal 15 Minuten warten. Die Kinder spielten zufrieden und als wir aufgerufen wurden, missfiel das dem Knöpfchen sehr. Das Puppenhaus hatte es ihr angetan. Ich meinte, dann müsse sie da bleiben, das Sirenchen und ich würden nun ins Behandlungszimmer gehen. Ich hatte keine Lust langatmig zu diskutieren, ob sie denn auf uns warten wolle und ich sie dann rufen würde, wenn SIE dran sei. Ich wollte in meiner matten Verfassung einfach flott in das Behandlungszimmer tapsen und danach zügig wieder das zu Hause ansteuern. Zudem warteten einige Patienten und ich wollte den Verkehr nicht aufhalten. Heulend kam sie hinter her gelaufen.
Beleidigt nahm sie im Behandlungszimmer auf meinem Schoß Platz. Sie beruhigte sich oberflächlich wieder.
Dann kam der Kinderarzt, den die Kinder wirklich mögen und zu dem sie gerne gehen. Das Sirenchen war zuerst dran und ließ sich abhören, in den Hals sehen und in die Ohren schauen. Beide Ohren und der Hals sind entzündet, aber gründlich. Wir bekamen eine ganze Batterie Tröpfchen und Zeug aufgeschrieben. Gegen Husten, für die Augen, für die Nase und natürlich die Ohren und im Allgemeinen was gegen grippale Infekte.

Das Sirenchen saß die ganze Zeit auf der Untersuchungsliege. Da wollte das Knöpfchen nun auch drauf. Da hätte sie sogar sitzen können, wenn sie nicht so ungeduldig und lautstark schon darauf gedrängt hätte, bevor das Sirenchen überhaupt fertig verarztet war. Zudem hatte sie Schuhe an und damit turnt man nicht einfach auf Untersuchungsliegen rum! Meine und die Erklärungen des Arztes dahingehend wurden galant überbrüllt. Ach, wie schön. Also musste sie als Konsequenz auf meinem Schoß bleiben.

Da das Knöpfchen auch immer mal über ein zwickendes Ohr klagt, sollte sie auf jeden Fall auch mal untersucht werden. Aber das wollte sie dann aus Protest nicht mehr.

Sie hielt sich die Ohren zu, trat um sich und schrie: Neeeeiiiiin, is will das niiiist!
Ich hatte Arme zu wenig, um sie zu bändigen und sie wand sich wie ein Aal.
Das ist mir persönlich kein unbekanntes Lebensgefühl. So musste man mich als Kind zu 3 Erwachsenen beim Blutabnehmen festhalten und bevor man mein mit Wasser gefülltes Knie punktieren konnte, bin ich von der Liege gesprungen und mit Wasser im Knie wieder nach Hause gefahren.

Etwas umständlich konnte der Kinderarzt doch nochmal die Ohren und den Hals kontrollieren. Zum Glück. Das eine Ohr ist entzündet. Der Hals ein bisschen. Und die Nase und die Augen sind wie beim Sirenchen betroffen.

Das Knöpfchen war dann so verstimmt, dass sie den Kinderarzt anknurrte und anfunkelte. Selbst auf seinen humorvollen und netten Kommentar: Ich mag dich trotzdem , schlug sie in die Luft in seine Richtung und blickte seeehr finster. Ein NEEEIIIN pfefferte sie ihm auch noch entgegen.

Sie stampfte wütend mit zur Garderobe und weigerte sich dann eine Jacke anzuziehen. Ich entgegnete, dann würde ich ihre Jacke tragen und sie müsse frieren. Da nannte sie mich, Achtung: „Blöde scheiß kacka Mama!“

Die Leute im Wartezimmer staunten nicht schlecht und ich wünschte mir das zweite Mal am Tag ein großes Loch im Boden. Ich sagte allerdings nicht mehr als ein strenges: „Oha, mein liebes Fräulein, da weht aber ein einskalter Wind durch deinen Arbeitsvertrag.“ (Um mal Rene Marek zu zitieren.)

Mir war klar, ALLES was ich an Reaktion weiter zeigen würde, würde die Situation befeuern und von ihr  überbrüllt. Des Knöpfchens Ratio war ausgeschaltet.
Und wieder einmal frage ich mich: Opa, bist du es? Denn mein Opa war ein ziemlich niedliches Kind und wusste mit Charme und Schalk die Leute um den kleinen Finger zu wickeln. Wie das Knöpfchen. Und ebenso unberechenbar wie das Knöpfchen neuerdings , flippte er aus und war nicht mehr zu bändigen, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Man erzählte sich lange davon, wie er einst bei einer Zugfahrt so außer Kontrolle geriet, dass sich niemand mehr zu helfen wusste und er kurzerhand ins Gepäcknetz gestopft wurde.

In Ermangelung eines Gepäcknetzes  😉 gingen wir also einfach. Draußen teilte mir das Knöpfchen nach ein paar Schritten nochmal stampfend mit, sie sei SAUA! Sie hätte das nicht gewollt! Ich kniete mich vor sie hin und sagte: Das hätten alle verstanden. Ich würde sogar ihre Wut verstehen. Dennoch sei es wichtig gewesen. Nun hätten wir die passende Medizin für alles. Ohne die Untersuchung hätten wir nicht gewusst was sie alles einnehmen müsse. Und es seien auch viele Kinder im Wartezimmer gewesen, da kann man nicht lange rumbummeln.

Ab da ging es. Eine Schwierigkeit gab es dann noch mit dem Bus und dem Wetter. In der Innenstadt ist viel Verkehr, viele Straßen, viele Menschen und wenn jeder einen Regenschirm in der Hand hat, kann man sich nicht an die Hand nehmen und das Sichtfeld ist beschränkt. Und das Knöpfchen hatte grundsätzlich andere Vorstellungen von der passenden Marschrichtung als ich. Ihr gefielen vor allem die großen Pfützen auf der Straße sehr gut.

Auf den Bus hätten wir 40 Minuten warten müssen. Wir kehrten in einer Bäckerei ein und setzen uns dort zwischen eine Schar Rentner und aßen etwas, um die Zeit zu Vertreiben und dem Regen zu entgehen.

Als wirklich positives Resümee muss ich sagen, sind wir den kompletten Vormittag nur netten und wohlwollenden Menschen begegnet. Echt jetzt. Humorvoll, kommunikativ, verständnisvoll, hilfsbereit, kinderfreundlich. Toll.
Ein warmes Bad in der Menge.

Heute Abend habe ich dann zeitig die Batterie Medizin an die strammstehenden Patienten verteilt und alle schön ins Bettchen gekuschelt. Naja. Den Sohn musste ich im Kommandoton abfertigen. Der war irgendwie nicht ganz bei Sinnen. Puh, dass man immer ALLES 1000mal sagen muss….

Jetzt versuche ich mal die Sache mit der Couch.

2 Antworten auf „Opas Reinkarnation schlägt wieder zu.“

Oh, was für ein Tag! Wenn bei uns eine krank ist, mag die andere auch immer nicht in den Kindergarten… Es ist jedes Mal ein Kampf.

Ich wünsche euch allen schnelle gute Besserung und starke Nerven!
Liebe Grüße
Berdien

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