Seit dieser Woche habe ich zwei Schulkinder, die alleine den Schulweg hin und zurück bestreiten. Das ist schon ein ziemlich gutes Gefühl für die Kinder und für mich auch.
Der Sohn geht in die zweite Klasse und läuft schon seit letztem Herbst alleine hin und zurück. Und das Sirenchen hat nach den ersten Wochen in der ersten Klasse auch den „Absprung“ von der mütterlichen Eskorte geschafft.
Ich finde das überaus wichtig, denn ich möchte meine Kinder fit für das Leben machen, abseits von meinem Rockzipfel. Meine heimlichen Ängste müssen nicht die der Kinder werden.
Und der Weg zur Schule hier bei uns im Ort ist für Kinder problemlos alleine zu bewältigen.
Für die Kinder bedeutet das:
-vor und nach der Schule Bewegung an der frischen Luft. Bei jedem Wetter. (Es gibt übrigens reflektierende Kinderregenschirme.)
– eigenständige Wege gehen, ein Gefühl von Freiheit und „Ich bin schon groß.“
-neue Kontakte knüpfen (gemeinsam mit anderen Kindern den Schulweg gehen)
-Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnen „Ich schaffe das. Ich kann das.“
-Selbstständigkeit weiter ausbauen
-sich selbst behaupten, stark sein, Lösungen finden (bei möglichen Streitereien mit anderen Kindern auf dem Schulweg oder merkwürdigen Begegnungen mit Erwachsenen, bei kniffligen Verkehrssituationen wie Baustellen oder Hindernissen)
Ich gebe ganz offen zu, dass es mich Überwindung kostetet meine Kinder alleine los zu schicken oder mittags auf sie zu warten, anstatt sie abzuholen.
Gleichzeitig war mir klar, dass es albern ist, mich an sie zu klammern.
Deshalb habe ich ein paar Absprachen mit den Kindern gründlich durchgekaut.
-Bevor man sich mit anderen Kindern verabredet oder sich gar die lockende Modelleisnebahnkammer des Unbekannten ansieht, müssen die Kinder zuerst nach Hause kommen und fragen bzw Bescheid geben wohin sie gehen.
-Sie dürfen nicht in fremde Autos steigen (Ausnahmen sind uns allen gut bekannte Eltern)
-Augen auf im Straßenverkehr!
Dann habe ich den Schulweg mit den Kindern geübt.
Wir sind diversen mögliche Wege zusammen abgelaufen.
Dabei haben wir die Varianten „ausgearbeitet“, die am sichersten sind. Sprich Straßen mit möglichst wenig Autoverkehr, möglichst hell, möglichst belebt (von anderen Schulkindern genutzt), großzügigen Gehwege und mit sicheren Straßenübergängen bestückt.
Ich habe die Zeit gemessen, wie lange der Schulweg dauert, wenn man richtig trödelt. Das ist das Zeitfenster, in dem die Kinder ankommen können. Wird dieses Zeitfenster überschritten, werde ich unruhig. (Mittlerweile kenne ich die typischen Tage, an denen der Sohn etwas später in der Schule los kommt und bin dann mit dem Zeitfenster auch etwas gelassener bei Zeitüberschreitungen.)
Wir haben den Schulweg morgens und mittags eine Weile gemeinsam gemacht, bis ich mir sicher war, die Kinder machen das souverän.
Der nächste Übungsschritt war, die Kinder nur den halben Weg zu bringen oder auf dem Heimweg auf halber Strecke zu treffen.
Zu Beginn, als der Sohn ganz alleine los ging, wollte ich dann auch, dass er immer den gleichen Weg läuft, damit ich wusste, wo ich ihn suchen muss, falls er sich grob verspätet.
Mittlerweile dürfen die Kinder alle Wege gehen.
Was auch mehr und mehr wächst: Das Netzwerk an Kindern, die gemeinsam den Schulweg laufen und sich trauen. Mittlerweile laufen der Sohn und das Sirenchen oft im 5er Pulk. Lauter Erst- und Zweitklässler, die das ganz prima machen, sich schon immer aufeinander freuen und schnatternd ihre Wege gehen.
Was ich bisher allerdings nicht möchte ist, dass meine Kinder mit einem Roller oder dem Fahrrad zur Schule fahren. Das wäre mir zu unsicher.
Sowohl dem Sohn als auch dem Sirenchen musste ich zum finalen Absprung noch einen kleinen „Schubs“ geben und überzeugt sagen: „Und heute kommst du ganz alleine nach Hause!“ Man merkt ja, ob das Kind wirklich ängstlich und unsicher ist (dann begleitet man es natürlich weiter) oder ob es sich eigentlich traut, aber ein bisschen Angst vor der eigenen Courage hat. In letztem Fall hängt das Gelingen von der eigenen Einstellung ab. Ich muss als Mama selbst bereit sein los zu lassen.
Und mein Gefühl war Anfang dieser Woche: Jetzt ist ein guter Zeitpunkt bevor es sich zur Bequemlichkeit entwickelt. Und ich sagte zum Sirenchen: „Heute kommst du alleine nach Hause! Du schaffst das!“
Ich weiß nicht, wer von uns beiden stolzer ist, wenn sie nach der Schule wieder vor der Türe steht.
Der Sohn ist da ja schon nahezu ein alter Hase. Aber das schmälert auch bei ihm nicht meinen Stolz.