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...und was es sonst noch gibt Mama Error

Nicht immer läuft es rund und am Abend ist es immer am schwersten

Paradoxer Weise bekomme ich immer wieder gesagt, ich sei ja so entspannt. So kürzlich noch von Nachbarn. Da frage ich mich aber, ob die einfach immer nur zu Hause sind, wenn die Kinder in Schule und Kita sind und eben Nachts wenn alle schlafen, oder ob ich mich selbst völlig falsch wahr nehme. Ich selbst habe nämlich sogar aufgegeben auf der Straße eine Bella Figura zu machen. Ich blöke auch ganz ungeniert in der Öffentlichkeit meinen Kindern hinterher. So nach dem Motto- Ist der Ruf erst ruiniert…

Kommen wir nun zu drei Augenblicken in den letzten 12 Wochen mit 4 Kindern, die mich allein tatsächlich heillos überforderten und bei denen ich auch ziemlich laut und vor allem unentspannt war.

Das erste Szenario war ein Tag, der zunächst ganz ok lief, sich aber ab dem Nachmittag immer mehr zum Wahnsinn hin verschob. Beim Abendessen saß ich da mit einem überdrehten Baby, das schrie wie verrückt, so dass ich die anderen Kinder nicht mehr verstehen konnte. Was nicht weiter schlimm war, denn sie hatten nichts besseres zu tun als laut zu streiten, dabei über all Krümel zu verteilen und die Möbel zu demolieren. Ich sprach sodann sehr laut und sehr bestimmt, es mögen ALLE OHNE DISKUSSION und SOFORT mit mir nach oben ins Bad kommen. AB INS BETT! 

Gesagt getan. Da lagen wir dann alle 5 schließlich auch. (Wir schlafen alle zusammen in einem Raum) Ich verordnete noch sofortige und absolute Ruhe. Die Kinder schliefen auch alle 4 sehr schnell ein (die waren einfach mega müde), nur ich lag wach und starrte in die beginnende Dämmerung und traute mich nicht wieder aufzustehen. Endlich Ruhe. Endlich Frieden. Endlich kein sich verselbstständigendes Chaos mehr. Das war in diesem Moment wichtiger als mein Hunger nach einem schönen Buch oder einem Film.

Ich hörte, wie im Dunkeln der Mann nach Hause kam.

Ich hörte, wie er irritiert nach uns rief, traute mich aber nicht zu antworten, damit ja keines der Kinder wieder erwachte. Das Baby lag fest umschlungen in meinen Armen und hielt mit der kleinen Hand meinen Daumen umklammert.

Für den Mann hatte sich kurz ein Horrorszenario aufgetan. Unsere Haustüre hatte nämlich offen gestanden (warum weiß ich auch nicht), alles war dunkel im Haus, der Abendbrottisch noch so wie wir ihn verlassen hatten und alles still. Der Mann dachte kurz es sei etwas Schlimmes passiert.

Er kam leise nach oben und fragte ob alles gut sei. Fast hätte er sich mit einem Nudelholz bewaffnet, für den Einbrecher, der uns in Schach hielt. „Der Einbrecher“ war aber tatsächlich nur meine Überforderung gewesen.

 

An einem anderen Abend (ihr merkt es schon, die Abende sind eine schwierige Sache) nach einem ultra anstrengenden Samstag, ich hatte eine viel zu kurze Nacht gehabt, fühlte mich richtig krank wegen eines fiesen Milchstaus und war absolut am Anschlag jeder Belastbarkeit, der Mann war noch auf der Arbeit und die Kinder schon den ganzen Tag anstrengend, da wusste ich beim Zubettbringen der 4 Kinder nicht mehr, was ich sagen und machen konnte. Es war ein Getöse und ein Lärm und ich wollte und musste dringend mit schlafen gehen. Mir tat nämlich ALLES weh. Der Kopf, die Brust mit dem Milchstau, die Beine, das Baby war auch so bleischwer an diesem Tag und quengelte unentwegt…Scheiße. Die Kinder hörten nicht. Obwohl sie sonst sehr mitfühlend sind, waren sie an diesem Tag nicht in der Lage dazu. Das ist alles ok. Ich erwarte nicht, dass sie immer vernünftig sind. Aber es ging alles nicht mehr vor und zurück. Die Kinder wurden immer lauter, das Baby immer unruhiger und mir brach der Schweiß aus. Ich teilte sogar fauchend mit, dass ich gerade mega, wirklich mega schlimm wütend würde und eigentlich auch weinen wolle, weil es mir so schlecht ginge. Egal was ich sagte und erklärte, es half nichts. Die waren einfach irre und ich am absoluten Anschlag.

Völlig hilflos brüllte ich: „IHR HÖRT JETZT AUF DER STELLE AUF MIT DEM GEDÖNS, SONST….sonst…..(Scheiße was denn sonst? Alle Wenn-Dann-Sätze, Fernsehverbot und Apelle an die Vernunft etc….das alles hat ja auch nicht geholfen….Scheiße….)…..VERPRÜGEL ICH EUCH ALLE!“ 

Ja, hab ich gesagt. Sogar gebrüllt. Mir fiel nix anderes mehr ein. Echt.

Aber bevor ihr jetzt mit erhobenem Zeigefinger kommt und mich ob dieser unfassbaren Gewaltandrohung maßregelt, lest weiter.

Die Kinder hielten irritiert inne. Der Sohn blickte gar belustigt und sagte: „Hä? Das hast du doch noch nie gemacht!“

Und da musste ich furchtbar lachen. Ich freute mich, dass ich selbst in meinem wütenden Zustand mit dieser Äußerung völlig unglaubwürdig für meine Kinder war. Ich hatte ab da ihre Ohren und sie verstanden endlich, dass ich einfach nicht mehr konnte. Die Anspannung war raus und wir schafften es dann tatsächlich halbwegs geordnet und zügig ins Bett.

Es war sicherlich keine Glanzleistung, aber manchmal helfen solche absurden Situationen, um aus der Spirale raus zu kommen. Wie einst HIER: https://beatrice-confuss.de/2015/11/30/bruellen-hilft-manchmal-doch-2/

 

Dann gab es vor 2 Wochen noch einen Abend, an dem ich komplett austickte.

Der Tag verlief zur vollsten Zufriedenheit für alle. Ich hatte von früh bis spät perfekte diplomatische Verhandlungen geführt und alle kamen auf ihre Kosten. Keiner stritt, alle meine To Dos waren erledigt. Alle müde. Ich hatte sogar noch ein emotional schwieriges Problem vom Sohn „bearbeiten“ können und für den nächsten Tag schon alles vorbereitet. Da gab es nämlich Ausnahmesituationen und da musste ich an ein paar Extradinge bedenken. Ich war froh alles gut geschafft zu haben, aber war auch echt platt.

Ich hatte mich dann, obwohl ich weiß, dass das in der Regel nie gut geht, auf meinen „Feierabend“ gefreut. Sehr sogar. Und ich wollte gerne einen Film, den ich bereits dreimal unterbrochen hatte in den letzten Tagen, zu ende schauen. Als Belohnung. Entspannung. Kopf mal mit etwas anderem als Kinderthemen durchströmen lassen.

Die Kinder fanden aber den Tag mit mir offenbar so gelungen, dass vor allem der Sohn nicht nur nicht zur Ruhe fand, sondern auch noch die müden Schwestern wach hielt mit allerlei Schabernack. Es war ein Gequitsche und Gekreische im Schlafzimmer. Ich saß derweil mit Kopfhörern und dem endlich in meinem Arm eingenickten Baby vor meinem Film auf der Couch. Ich hätte also entspannen können.

Normalerweise überhöre ich so ein Getöse im Kinderzimmer dann auch einfach. Solange mich keiner behelligt oder es einen Notfall gibt. Aber an diesem Abend liefen in meinem Kopf allerlei Gedanken weiter, die mich ziemlich unentspannt hinsichtlich des Getobes der Kinder werden ließen. Der nächste Tag würde nämlich ein anstrengender und langer Tag vor allem für das Sirenchen. Sie musste schlafen und wollte auch. Sie heulte sogar schon wegen dem Bruder. Und wenn sie unausgeschlafen einen besonderen Tag hat, ist das nicht gut.

Ich saß auf der Couch mit dem schlafenden Baby. Wenn ich aufstünde, würde das Baby zu 99% wieder wach und ich müsste nochmal durch die Wohnung tigern, bis es schliefe. Wenn ich, was meine Stimme hergäbe, von der Couch aus nach oben brüllen würde, würde das Baby auch wach. Feierabend ade. So oder so. Und während ich gerade dachte aufzustehen, kam der Mann von der Arbeit.

Ich hoffte, er würde das Getöse oben hören und einfach mal meiner statt eine Verhaltensempfehlung an den Sohn aussprechen. Tat der Mann aber nicht. Und bevor ich ihn darum bitten konnte, fragte er, ob ich seinen Steckschlüssel, den er am Morgen vor der Türe verloren hatte (wegen einer unter Zeitdruck kleinen Reperatur am Auto) gefunden hätte. Hatte ich nicht. Hatte ich gar nicht nach gesucht. Hatten wir uns missverstanden. Sagte ich auch so.

Da motzte der Mann mich an, von wegen ich könnte ihn ja auch mal entlasten und am nächsten Tag solle ich einen neuen Steckschlüssel besorgen. 

ENTLASTEN???? (Stellt euch hier ein Alarmgeräusch vor)

TILT

Stellt euch Klaus Kinski vor, was dieser mit dem Wort Steckschlüssel und seinem ansonsten gängigen Vokabular anstellen würde.

Man kann getrost sagen, ich habe gewütet!  

Und als ich mit dem Mann fertig war, bin ich nach oben geflogen und habe den Sohn mit gesittetem Vokabular aber ähnlich aufbrausend darauf hingewiesen, er möge seine Schwestern gefälligst schlafen lassen! Ich selbst legte mich dann weinend auch ins Bett. Mit völlig aufgekratztem Baby.

Am nächsten Morgen erklärte ich dem noch immer verstimmten Sohn , wie es zu meinem Ausbruch gekommen war und warum ich manchmal vor lauter Listen in meinem Kopf sehr plötzlich heftig reagiere und man von außen betrachtet denkt: Was hat die denn jetzt auf einmal.

Der Mann und ich mussten nicht mehr darüber sprechen. Es genügte ein Blick und ein Grinsen. Er ist nach einem anstrengenden Arbeitstag abends halt auch manchmal komisch drauf und sieht mich dann „gemütlich auf der Couch sitzen“. Da geschehen solche Situationen. 😀 Und wir beide kennen unsere Macken. Deshalb funktionieren seine Sprüche und meine Ausbrüche auch seit vielen Jahren sehr gut miteinander. Es hat immer etwas Bereinigendes.

 

4 Antworten auf „Nicht immer läuft es rund und am Abend ist es immer am schwersten“

Vielen Dank für diese Schilderungen von den Momenten des Wahnsinns (hier auch wohlbekannt). Besonders gut gefällt natürlich die Stelle mit ’sonst verprügel ich euch alle‘. Ganz klar Notwehr! Und ein schönes Beispiel für paradoxe Intervention und dass sie oft funtioniert.

Vielen Dank für deine Ehrlichkeit!!!Ich bin gerade mit unserem vierten Kind schwanger und sauge deine Berichte geradezu auf😊.Solche Situationen kennen wir alle, doch wenige erzählen dass so schonungslos und ehrlich.Wie sympathisch, dass du deine Erlebnisse mit uns teilst, auch wenns mal nicht rund läuft.

Danke für diesen tollen Bericht, ich hab so gelacht…wie schön, dass es auch anderen so geht 🙂 Ich hab selten einen Blogartikel gelesen, den ich so toll fand!

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