Ich bin der Medizin grundsätzlich positiv gegenüber eingestellt. Jedoch lerne ich in den letzten Jahren auch immer kritischer zu sein. Sachen gibt es….
Das liegt gar nicht mal an den Ärzten und dem Personal per se. Die passen sich nur dem Gesundheitssystem an. Das kann ich ihnen nicht mal verübeln.
Man sieht das Problem an der aktuellen Hebammen-Geschichte und dem Schließen von Kreißsälen und vielen anderen Dingen.
Außerdem sind viele Abläufe unnötig verkompliziert. z.B. HIER und HIER zu lesen.
Nicht zuletzt muss man über das mangelnde und/oder schlecht bezahlten Personal in Krankenhäusern und einer damit einhergehenden Überlastung sprechen.
Man bekommt ja nichtmal was zu Trinken gereicht, wenn man mit was akutem ins Krankenhaus kommt. Meine Schwester mit vorzeitigen Wehen saß auch auf dem Trockenen. Nicht mal ne Flasche Wasser stellte man ihr hin. Und ich spreche nicht von einem Zeitraum von nem Stündchen, sondern von einem ganzen Tag. Zu Essen bekam sie dann schließlich von ihrer Zimmernachbarin. Die hatte zum Glück nen riesen Obstkorb geschenkt bekommen.
Meine Rippen-Einrenk-Desaster in der 1. Schwangerschaft gab es ja auch schon zu lesen. HIER. Da tat sich ein weiteres Problem im System auf. Es scheint, als könne man vor lauter Absicherungs-Ideen seitens der Krankenkassen nicht mehr auf das Körpergefühl der Patienten vertrauen. Man muss erst alles ausschließen, was einen teuren Versicherungsfall verursachen könnte.
Oder ich stelle mir die Frage, haben viele Patienten kein Körpergefühl mehr? Und woher kommt das? Nicht zufällig von den Ärzten, die sich immer absichern wollen/müssen und der Wirtschaftlichkeit halber Zusatzuntersuchungen verkaufen wollen? Und das funktioniert nur, in dem man Angst macht und damit das Körpergefühl der Patienten verunsichert.
Was mich aber viel mehr aufregt:
Meine Oma. Die Uroma meiner Kinder. Sie ist 90 Jahre alt und hat auf Grund eines grippalen Infektes geschwächt das Gleichgewicht verloren und ist umgefallen. Letzte Woche. Oberschenkelhalsbruch. Große Aufregung.
Es passierte am Vormittag, sie wurde ins Krankenhaus gebracht. Geht ja nicht anders. Meine Mama wurde den halben Tag nicht zu ihr gelassen. Warum weiß kein Mensch. Und als sie am späten Nachmittag zu ihr durfte, da hatte meine Oma weder gegessen noch etwas getrunken. Und zwar, weil man ihr nichts gebracht hatte. Und aufstehen und sich was holen, ging ja schlecht mit gebrochenem Bein.
Wie kann man einer 90 Jährigen, die auch noch einen kleinen Schreck hatte und obendrein ziemlich erkältet war NICHT WENIGSTENS MAL EIN GLAS WASSER HINSETLLEN? WIE KANN DAS SEIN?
Überlastung des Krankenhauses. Sehr wahrscheinlich! Schönen Gruß an das „Gesundheits“-system! ABER: Wieso hat man meine Mama nicht zu ihr gelassen? Die hätte nämlich was zu Trinken besorgt und gereicht! War wahrscheinlich zu „gefährlich“.
Nächster Punkt. Am nächsten Tag sollte operiert werden. Die Uroma musste nüchtern bleiben. Am späten Nachmittag die Nachricht. Keine OP an dem Tag. Und da hatte die Uroma wieder den kompletten Tag ohne Essen und Trinken zugebracht!
Ok.Ok. Es hat vielleicht Notfälle gegeben. Jaaaa, kann man entschuldigen. Ist blöd, ging nicht anders. Die Uroma ist ja zum Glück auch mega fit für ihr Alter. Auch ohne Essen und Trinken. Aber man könnte ja wenigsten darüber Informieren, was los ist. Aber man bekam nur ein Schulterzucken, wenn man nach der OP fragte.
Dann wurde die Uroma am übernächsten Tag operiert. Das lief gut. Die Uromi war auch nach der Narkose wieder fit. Puh.
Dann lag sie da ein paar Tage mit einer anderen ganz lieben 90jährigen Omi auf dem Zimmer. Allet schick soweit. Da meine Kinder und ich selbst auch erkältete waren und die Mittelohrentzündung noch arbeitete, wollte ich die Uromi am letzten Wochenende nicht besuchen, um nicht neue Bazillen anzuschleppen. Meine Mama und meine Schwester waren ja auch da. Sie war also nicht alleine. Unter der Woche hatte ich dann kein Auto, weil der Mann damit auf der Arbeit ist.
Außer Freitag. Da hat der Mann frei.
Ich schnappte Freitag morgen also die Kinder. Der Sohn ging extra nicht in den Kindergarten und das Sirenchen hatte was gebastelt für die Uroma. Wir fuhren ins Krankenhaus.
Da hatte Murphy aber zugeschlagen.
Wir hätten nur in kompletter Kittel-, Mundschutz- und Haube-Montur Zutritt bekommen. Eine 3. Zimmergenossin war vorgestern „eingezogen“ und hatte einen Krankenhauskeim eingeschleppt. Nun stand das ganze Zimmer unter Quarantäne und die Uroma und ihre lieb gewonnene Altersgenossin warteten auf das Testergebnis, ob sie sich schon angesteckt hatten oder nicht.
Und da denke ich: Schönen Dank Gesundheitssytem! Überlastete Krankenhäuser, die keinen Platz haben und zu viele Leute auf ein Zimmer stopfen müssen OHNE vorher zu checken, ob irgendwelche Keime unterwegs sind. Da weiß ich dann auch, warum es Krankenhaus heißt. Es macht nicht gesund, sondern krank.
Da gerade „Turnstunde“ angesagt war für die Uromi, sagte der Physiotherapeut, den wir auf dem Flur antrafen, er käme mit der Uromi einfach auf den Gang. Die Schwestern hätten das erlaubt. Dann könnten wir sie sehen. Allerdings auf Abstand. Wir warteten im Flur und der Physiotherapeut verriet der Uromi nichts. Er sagte ihr nur, dass auf dem Flur noch etwas für sie wäre und packte sie in Kittel, Haube und Handschuhe.
Als sie auf den Gang kam, realisierte sie zunächst nicht, wer da stand. Als sie uns erkannte, lief sie erstaunlich gut mit einem Rollator auf uns zu und weinte. Sie freute sich so! Und wisst ihr was?
Es ist mega Scheiße, wenn man seine kleine 90 Jährige Oma in einen Schutzkittel, mit Handschuhen und Häubchen sieht. Vielleicht ansteckend mit was Fiesem. Da wirkte sie gleich so zerbrechlich. Aber sie ist so wacker und fit für ihren Zustand.
Die arme Oma! Und dann darf man sie nicht mal umarmen! Das ist Scheiße! Die Uroma freute sich wirklich sehr! ( Ich kann Leute schlecht weinen sehen.)
Ich hatte dann auch was im Auge. Die Kinder waren ganz irritiert und staunten mit großen Kulleraugen. Ganz scheu waren sie.
Wir konnten einen Moment auf einer Bank sitzen und ein bisschen plaudern. Aber das war doof! Ach Mensch, war das doof. Die arme Oma!
Mittlerweile liegt meine Oma zum Glück mit ihrer Altersgenossin in einem anderen Zimmer. Die beiden haben sich nicht angesteckt! Ich bin sehr sehr froh! Für so alte Leute wäre das kein Spaß gewesen und hätte unter Umständen dafür gesorgt, dass meine Oma nicht mehr mobil wird.
Tja, und so kann man nur hoffen, dass meine Oma und ihre Mitstreiterin sich nicht noch im Durchzug erkälten, während sie nur im Nachthemd ohne Bademantel am Tisch sitzen müssen und auf ihre Mahlzeiten warten. Die Schwestern der Station schaffen es zeitlich einfach nicht, sich vernünftig zu kümmern. Und so sitzen da zwei 90 Jährige mit gebrochenen Knochen und müssen warten. Neulich eine Stunde. Und am Esstisch gibt es keine Klingel! Als meine Oma sich beklagte, dass ihnen kalt gewesen wäre, bekam sie auch noch eine pampige Antwort! Und die andere 90 Jährige kann so lange gar nicht mehr sitzen. Die sackt dann in ihrem Rollstuhl zusammen.
Es ist ein Debakel.
Man hat kein gutes Gefühl, wenn die Omis da alleine im Krankenhaus liegen. Überhaupt nicht. Das haben sie nicht verdient.
7 Antworten auf „Die arme Uroma, der Murphy und das Gesundheitssystem“
Das erinnert mich sehr an meinen Vater, der vor sieben Jahren in der berühmten und höchst ehrenwerten Charite hätte verhungern und verdursten können, wenn nicht jeden Tag einer von uns da gewesen wäre. Er war privat versichert, und hätte ein Einzelzimmer haben können. Hat er abgelehnt, er fühlte sich besser mit einem Bettnachbarn, der im Zweifel helfen oder Hilfe holen konnte.
Das ist echt krass. Ich kann deinen Papa verstehen. Ich würde mich zu zweit auch wohler fühlen. Ist ja auch unterhaltsamer. Kommt aber sicherlich auch immer darauf an was man hat und wie fit man insgesamt ist.
Jetzt habe ich einen Kloß im Hals…
Das haben die Omis wirklich nicht verdient! Und all die anderen Kranken ja auch nicht.
Ich arbeite als Hebamme selber im Krankenhaus und versuche vieles zu verstehen, was in so einer Klinik passiert und oft aussieht wie ‚vergessen‘ und ‚keine Lust‘, weil ich die andere Seite kenne. Aber manche Sachen gehen einfach nicht.
Und das nicht endlich erkannt wird, auf welche Katastrophe wir uns zubewegen, wenn wir nicht endlich die Fehler unseres Systems erkennen und beheben, das ist einfach nur dramatisch!
P.S.: An dieser Stelle einmal Danke für deine tollen Texte!
Danke für deinen Kommentar. Es ist „beruhigend“ von jemandem, der im System arbeitet zu hören, dass das echt nicht in Ordnung ist. Ich denke auch, dass einige Dinge hinter den Kulissen einfach nicht anders gehen und ich versuche schon mit Nachsicht zu urteilen. Aber manches müsste einfach nicht sein. Und man hört es immer wieder und trotzdem werden die Bedingungen für alle Beteiligten nicht besser, sondern immer aberwitziger. Man muss mal Danke sagen an alle, die vor allem im Pflegebereich überhaupt noch und engagiert arbeiten!
Und für alle Hebammen und alle Schwangeren kann man ja auch nur hoffen, dass die Hebammen-Geschichte noch mal eine Wende bekommt.
LG 🙂
So was in der Art habe ich auch mit meiner Schwiegermutter erlebt ,die fast nichts mehr konnte nach einer Hirnblutung. Ihr wurde das Essen hingestellt,sie konnte aber kein Besteck benutzen und nicht schlucken,somit wurde das Essen dann einfach unangetastet wieder abgeräumt. Zum Glück hatte sie sehr nette Zimnergenossen die ihr geholfen haben,wir konnten Dank kleinem Baby und weiter Entfernung nicht jeden Tag hin.. furchtbar.
Ohne Zimmergenossen ist man echt aufgeschmissen. Furchtbar. Wird Zeit, dass sich endlich mal was tut und man mehr Pflegepersonal einstellt und das auch entsprechend bezahlt.
Mein Mann war mit gebrochener Schulter im Krankenhaus, der im Nachbarbett hatte die andere Schulter gebrochen. Sie bekamen zum Fruehstueck Brötchen, die nicht geschmiert waren, auch nicht aufgeschnitten…die zwei waren sonst fit und haben zusammengearbeitet..,einer hält, einer schneidet….Das das Abendessen organisatorisch um 16:31 ausgegeben werden muss, kann ich verstehen. Das man es nicht behalten darf, notfalls bis morgens, bis man gegessen hat, nicht. Ich hab ihm dann eine Schuessel in die Schublade gestellt, da hat er alles reingestellt und nach Bedarf gegessen.