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Was sind die wichtigsten Momente in deinem Leben?

Ohne daran zu denken, dass das Jahr 2017 ein besonderes Jahr für mich wird, habe ich im Oktober 2016 schon mal Über diesen besonderen Moment geschrieben. Und er gehört eigentlich in die Beitragsreihe vom Jubiläumsjahr 2017. Was es damit auf sich hat, liest man HIER.

Wie alle, kann auch ich sagen: Es gibt viele besondere Momente in meinem Leben. Und doch gab es einen entscheidenden Moment, ohne den ich heute nicht hier und nicht in dieser Familienkonstellation sitzen würde. Und ohne den ich ganz viele weitere besondere Momente, wie die Geburten meiner Kinder etc nicht erlebt hätte. Jedenfalls nicht in dieser Konstellation.

In einem Lebensabschnitt, in dem es mir überhaupt nicht gut ging, kam die entscheidende Initialzündung zu neuen Wegen aufzubrechen von einem chauvinistischen Hallodri und charmanten Weiberhelden mit Tiefgang.


Ich lebte damals in Berlin und war im zweiten Jahr meines Referendariates. Ich steckte mitten im  Examen. Die Beziehung mit meinem damaligen Freund, mit dem ich auch zusammen wohnte, war an einem absoluten Tiefpunkt angekommen. Wenn wir miteinander sprachen, wozu kaum noch Zeit blieb, kamen wir ins Streiten. So richtig. Wir waren wohl beide schon länger nicht mehr glücklich und warteten eigentlich nur auf das Ende meiner Ausbildung, um mal Tacheles zu sprechen. Die Situation ging mir ziemlich an die Substanz. Die Arbeit im Brennpunkt, pausenloses Arbeiten, Streit und Unfrieden zu Hause… Vielleicht noch Lichtmangel im Berliner Winter… Ich war dauermüde und magerte richtig ab. Zudem fühlte ich mich wie Tim Taler. Kennt das noch jemand? Der Junge, der sein Lachen verkauft hatte? Bloß ich hatte meines verloren. Mich plagten richtige Ausbruchsgedanken. Ich hatte große Lust alles hinzuschmeißen und abzuhauen. Irgendwohin. Alles in allem war ich nicht mehr in meiner Mitte. Obwohl ich tolle Leute kannte, die mir in dieser Zeit auch sehr halfen, fühlte ich mich sehr einsam. An dieser Stelle nochmal: DANKE an alle, die mir zugehört und mich unterstützt haben!
Es war einfach alles vermurkst. Es ging mir so schlecht wie noch nie.
Schließlich verstarb noch meine Oma. Mit dieser Oma hatte ich noch im Sommer ein denkwürdiges Gespräch im Auto, als ich sie nach einer Feier nach Hause fuhr. Sie fragte mich über meine Geschwister und deren Partner aus. Sie fragte mich über mich und meine Beziehung aus. Ob wir alle glücklich seien und solche Sachen. Es kam mir schon spanisch vor. Ich bin sicher, sie ahnte ihr Ende bereits.
Sie starb schließlich vor Karneval. Die Beerdigung war für Karnevalsfreitag angesetzt. Insgesamt für einen Kölner eine merkwürdige Situation.

Weiberfastnacht saß ich abends im Flieger in die Domstadt. Mit mir eine Funkemariechen-Truppe aus Köln, die an diesem Tag in Berlin einen Auftritt gehabt hatte. In mir herrschte ein Gefühlschaos. Verrückter könnte es kaum sein. Ich war sehr froh alleine unterwegs zu sein. Nicht reden zu müssen. Ich konnte und wollte mein Gefühlschaos nicht kommunizieren. Ich hatte endlich mal Raum, um in mich hinein zu horchen.
Ich war traurig meine Oma verloren zu haben und gleichzeitig freute ich mich nach Köln zu fliegen. Ich freute mich auch über die gute Laune der Tanztruppe und fand es schade, dass ich so gar kein Karneval feiern würde. Beim Landeanflug auf Köln durchströmte mich eine unfassbare Erleichterung endlich zu Hause zu sein. So sehr ich Berlin liebe, Köln war und ist zu Hause. Wenn es mir schlecht geht, mehr denn je.
Am nächsten Morgen fand die Beerdigung statt. Der Freitag und auch der Samstag vergingen zäh und dumpf. Samstags telefonierte ich am fortgeschrittener Nachmittag mit einer Freundin und sie fragte ob ich mitkommen wolle ins Kölsch Kultur (eine Kneipe). Ich sagte zunächst ab, denn es passte nicht so recht mit der Trauer zusammen und außerdem macht man das doch nicht. Doch dann entschloss ich mich, doch los zu ziehen. Ich hatte seit vielen Wochen nicht mehr gelacht und meine Oma hätte das bestimmt nicht gewollt. Mir fiel das letzte Gespräch mit ihr wieder ein. Ob ich glücklich sei und so. Und damals hatte ich sie schon ein bisschen angeschwindelt. Ich war überhaupt nicht glücklich.
Ich rief meine Freundin an, sagte ich würde die nächste Bahn nehmen und doch mitgehen. Hektisch zog ich ein Kostüm aus unserem Fundus im Keller und rannte dem Bus zur Bahn entgegen. Am ganz späten Nachmittag fand ich mich bei der Freundin ein. Bevor wir los zogen, hatte ich Zeit über die kleinen und im Vergleich zu Berlin miefigen und typisch kölschen Häuschen zu blicken. Die Luft roch nach zu Hause. So wie die Luft in Berlin für mich nach Freiheit roch. Der Heimatgeruch tat mir unglaublich gut. Ich dachte, ach, mich durchströmte das Gefühl: „Ich muss so schnell wie möglich zurück nach Köln.“
In der Kneipe nahm ich sofort einen Platz auf einer Bank ein. Stehend versteht sich. Dort oben hat man einen guten Überblick und wenigstens nach vorne hin Platz und „Luft“. Ich genoss es. Ich genoss die Stimmung, das Schunkeln und Singen mit Wildfremden. Das unfassbare WIR-Gefühl. Die alten Lieder. Sogar das Kölsch (das ist nicht mein bester Freund, ich vertrag es nicht gut). Die Stimmung war super, an Fensterscheiben und Wänden ronn das Schwitzwasser nur so hinab. „Zu Hause dachte ich. Zu Hause“…. und ich lachte. Seit Wochen das erste Mal. Für eine kurze Zeit vergaß ich meinen Kummer.

Schließlich recht spät schon, kam ein neuer Schwung Leute in den Laden. Und mit diesem Schwung neuer Leute kam ein Indianer herein.
Es war wie in einem Film.
Der Indianer kam in mein Sichtfeld und der Film lief ab da in Slowmotion. Der Indianer war irgendwie von einem Lichtschein umgeben. Ich fand ihn unglaublich attraktiv. Er war groß, dunkelhaarig und einfach nur schön! Seit langer Zeit hatte mir kein Mann mehr gefallen, aber dieser Mann….ich war hypnotisiert. Ich war beschwipst, glücklich und hypnotisiert. Dabei dachte ich nicht daran den Indianer kennen zu lernen. Ich freute mich einfach nur, dass mir mal wieder jemand gefiel. Der Indianer seinerseits bemerkte mich zunächst nicht.
„Mann, ist der schön!“ dachte ich und freute mich wie blöd.
Ich trank noch ein Kölsch.
Der Indianer bemerkte, dass ich ihn beobachtete und sah zu mir rüber. UND ER LÄCHELTE! Ich konnte es nicht fassen. Ich lächelte schüchtern zurück (dachte ich, aber so beschwipst hab ich ihn wohl angestrahlt wie keine andere vor mir) und dachte: „Also, so ein schöner Abend und als krönenden Abschluss flirte ich noch mit einem tollen Mann! Besser kann´s nicht werden!“ Wir lächelten uns immer mal wieder zu. (Laut seiner Aussage strahlte ich ihn mit allen mir zur Verfügung stehenden Zähnen an). Ich auf meiner Bank, er in der anderen Ecke des Raumes. Selig beschloss ich schließlich, ernsthaft jetzt, die vorletzte Bahn nach Hause zu nehmen, damit ich nicht mitten in der Nacht in der Kleinstadt kurz vor meinem elterlichen Dorf festsaß, weil ich den Anschluss verpasst hatte oder so etwas. Man soll gehen, wenn´s am Besten ist.
Gerade als ich meine Jacke von meiner Freundin aus einem Jackengebirge in einer Ecke fischen ließ, stand der Indianer plötzlich vor mir. Ich wurde ganz starr vor Schreck. Da war ich garnicht drauf eingestellt. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und ich fühlte mich schlagartig ziemlich nüchtern. Ich grinste breit und blickte fragend. Er sprach etwas zu mir mit dunkler wohlklingender Stimme. Keine Ahnung was. In meinem Kopf ratterte es. Ich wollte doch eigentlich gerade aufbrechen, aber jetzt konnte ich doch nicht einfach gehen?? Der Indianer…. Ich ließ meine Jacke wieder in die Ecke stopfen und nahm schließlich ein Getränk von ihm in Empfang. Ich beugte mich zu ihm hinab und versuchte gegen die laute Musik an zu erklären, dass ich eigentlich nach Hause fahren wollte….blablabla….ich war nervös und sagte schließlich: „Ich komme mal von der Bank runter zu dir.“ Da kam dann der vielerorts bekannte Charme des Indianers zum Vorschein. Er raunt mir mit neckischem Blick ins Ohr: „Ich schaue auch gerne zu dir auf!“ Je nach dem wer das zu mir gesagt hätte, hätte ich im Strahl gekotzt. Beim Indianer aber bekam ich weiche Knie. Wie Gummi. Ich kletterte wankend von der Bank hinab und wir versuchten uns in dem Getümmel und dem Lärm zu unterhalten. Ich klammerte mich an mein Glas und plapperte und plapperte. Er blieb ganz cool und gelassen, was mich noch nervöser machte, und zog mich an sich heran. Aus mir platzte hektisch heraus: „Aber ich habe einen Freund!“ Er sagt heute noch, dass ich in Gänze etwas anderes ausgestrahlt hätte, als ich sagte. (Wie recht er doch hat 🙂 ) und wir plauderten noch ein ganzes Weilchen, bis ich dann wirklich aufbrechen musste, um die allerletzte Bahn zu ergattern. Lustigerweise zweifelte ich keinen Moment daran, dass der Indianer mich zur Bahn bringen würde. Und so war es. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt und ohne dass wir darüber gesprochen hätten: Er begleitete mich. Ich hakte mich bei ihm ein und fühlte mich unglaublich wohl.

Dennoch plapperte ich weiter wie ein Wasserfall. Meine Freundin und ihr Freund begleiteten uns auch noch. Mein persönliches Securityteam. 😀 . Ich dachte: „Oh Mann, was passiert hier eigentlich? Und ich quassel mir ein Zeug zusammen. Ich vermassle das noch.“

Mein Security-Team schickte ich an der Bahnhaltestelle schließlich weiter.

Der Indianer und ich standen uns im einsamen Wartehäuschen gegenüber. Ich wartete darauf, dass er nach meiner Handynummer fragte. Aber die Frage kam nicht. Ich dachte, dass ich es vielleicht schon vermasselt hätte und dass ja auch Karneval sei. Was will man da erwarten? Stattdessen aber… (und da lief wieder alles in Zeitlupe und ein glitzernder Flimmerschein strahlte um uns herum) nahm der Indianer mein Gesicht zärtlich in beide Hände.. und küsste mich. Die Zeit blieb stehen….

Es war der schönste Kuss in meinem Leben!

Die Bahn fuhr ein. Bevor er mich fragen konnte, fragte ich nach seiner Telefonnummer. Es war mir egal, ob das gegen die Regel verstieß. Dieser Moment, dieser Kuss….das alles war für mich die Initialzündung. Ich musste zurück nach Köln, egal wie die Indianergeschichte weiter ginge.

Ich weiß nicht mehr wie ich nach Hause gekommen bin.

Ich schlief wie ein Stein. Und ich hatte die ganze Nacht das Gefühl, der Indianer läge neben mir und hätte den Arm um mich gelegt.
Dieses merkwürdige Gefühl werde ich nie vergessen!
Und es folgten ein paar aufregende Monate als Fernbeziehung. Wir lernten uns kennen, ich kam nach Köln zurück, wir zogen zusammen, wir stritten und liebten uns und es entstand das Beste, was mir passieren konnte. Wir sind eine Familie geworden. Und ich bin wieder ganz und mehr denn je in meiner Mitte.
Und darum ist der Indianer MEIN MANN!

7 Antworten auf „Was sind die wichtigsten Momente in deinem Leben?“

Oh, und mein Mann und ich sind auch Karneval zusammengekommen 😉 Altweiber zum ersten Mal geküsst und an einem Zug am Samstag danach zusammengekommen. Ich war ein Teufel und er „The Crow“. (Ganz schön düster 😉

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