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Erziehung und Realität Es könnte so einfach sein seufz

Das Modediktat der Uniformierten

Meine Kinder sind eigen in vielen Dingen und bei der Kleiderwahl auch. Jeder hat so andere Präferenzen. Manchmal gehen sie ziemlich schräg aus dem Haus. Ich finde das völlig in Ordnung, wenngleich es manchmal nicht zwingend meinem Geschmack entspricht. Wenn die Kinder mal wieder besonders merkwürdig angezogen sind und meine 89 Jährige Oma das sieht, dann sagt sie meist so etwas wie: „ Hat das Kind keine andere Jacke?“ oder „Hat das Kind keine passenden Hosen?“ Und ich sage dann immer: „Wir können uns keine anderen Kleider leisten.“ 😀 Meine Oma flippt dann immer aus und will sofort neue Sachen kaufen für die armen Kinder. Dann ruft meine Mutter: „Mensch, sag doch sowas nicht!“ Und ich sage dann: „Kleiner Scherz!“ Und dann lachen wir alle ganz laut zusammen. Ein sich immer wiederholende Ritual. (Ist unsere Art des Humors.)
Mir ist wichtig, dass die Kleiderwahl annähernd zu den vorherrschenden Temperaturen und dem jeweiligen Wärmehaushalt der Kinder passen. Der Rest ist mir egal.

Aber nun zur eigentlichen Sache:

Der Sohn eröffnete mir kürzlich, dass die anderen Kinder ja immer lachen würden, über die Sachen die er hätte, aber die anderen nicht.
Ich fragte, wie er das meine mit den Sachen.
Er antwortete daraufhin, dass vor allem der Junge XY immer lachen würde, wenn er seine geringelten Strumpfhosen trüge. Dazu muss man sagen, der Sohn LIEBT seine geringelten Strumpfhosen und damit er nicht immer eine provisorische Knicker-Hose dazu tragen muss (eine zu klein gewordene Jersey-Hose), habe ich eine richtige Knicker nähen lassen. Aber das, vor allem Strumpfhosen, so sagt der Junge XY im Kindergarten, würden nur Mädchen tragen.

Muss ich erwähnen, dass ich den besagten Jungen XY spontan voll doof fand?

Ich sagte dem Sohn, dass jeder anziehen dürfe, was er wolle und dass er sich nicht beirren lassen solle. Wenn ihm etwas gefällt und er sich darin wohl fühlt, so solle er es tragen, egal was andere sagen. Das sei nicht immer leicht, aber dafür sei man wenigstens nicht langweilig.

Der Sohn nickte verständig und sagte, der Junge XY hätte auch immer gelacht, wenn er seine Schleifen getragen hätte. Eine Zeitlang trug der Sohn nämlich eine Schleife zum Anstecken am T-Shirt-Kragen oder tatsächlich in den Haaren. Ich musste zwar selbst schmunzeln, aber so wie man als Mama die liebenswerten Eigenschaften seiner Kinder beschmunzelt und sie gleich noch mehr liebt.
Die Schleifen trägt er derzeit übrigens nicht, weil sie im Laufe des Sommers irgendwo verschütt gegangen sind. Aber er fragt hin und wieder danach. Bestimmt bringt das Christkind eine neue Schleife. Da bin ich ziemlich sicher. 😉

Aber Kinder sind so gemein, bzw sie spiegeln nur die Gedankenwelt der Erwachsenen wieder. Wenn man zu Hause oder sonst wo als Kind hört, dies und jenes ist Mädchenkram oder Jungenkram, dann glaubt man das als Kind.
Aber das ist so bitter.

Der Sohn mag zum Beispiel auch unglaublich gerne die Farbe Rot. Am liebsten Feuerrot. Auch als Kleidung. Als ich jüngst mal seinen mittlerweile viel zu kurz gewordenen Kleiderfundus gegen neue Shirts austauschte (extra mit viel Rot), sagte er, er wolle kein Rot. Er wolle Blau. Ich wunderte mich und fragte, seit wann das so sei. Er sagte leicht gereizt, dass Rot eine Mädchenfarbe sei.
Wuuuuah! Welcher Honk verbreitet so einen Scheiß? Wer? Wo werden solche Aussprüche zu Hause toleriert? Wer redet seinen Kindern so etwas ein? Wer toleriert solche blöden Aussprüche?

Ich sah dem Sohn an, dass er mit sich rang. Ich sah, dass ihm die neuen roten Sachen sehr gut gefielen und er sich eigentlich freute. Aber die Beeinflussung von Außen nagte an ihm. Er wurde bockig. Er sagte, er wolle das alles nie nie nie anziehen. Er wolle „normale“ Sachen und verließ theatralisch den Raum.
Oh, ich kenne dieses Gefühl. Man freut sich, dass die Mama eigentlich genau das Richtige gemacht hat. Die liebe Mama. Die weiß, was einem gefällt. Aber gleichzeitig hat die Mama unwissend auch das Falsche gemacht. Denn hätte die Mama blaue Sachen gekauft, dann würden die anderen Kinder nichts zu bemängeln haben. Man muss der Mama also sagen, dass es falsch ist, obwohl es richtig war. Das ist so ein Gefühl….da möchte man sich auf dem Boden wälzen und in der Luft zerreißen. Die Mama tut einem dann Leid, weil die hat das ja extra für einen ausgesucht.
Schwierig, ich kenne das Gefühl sehr genau. Ich mag das bis heute zu auch nicht, wenn ich so etwas bei anderen beobachte. So Turnbeutel von anderen Kindern wegnehmen und in den Müll werfen oder Butterbrote…..(hab ich hier schon mal drüber geschrieben).

Ich sagte also ganz aufgeräumt, dass ich die Sachen dann einfach umtauschen würde. Alles kein Problem. (Obgleich es mir so leid tat, dass er da mit sich einen richtigen inneren Konflikt ausfocht). Er solle mir einfach sagen, ob außer Blau auch noch eine weitere Farbe genehm sei.
Aber am nächsten Tag sagte der Sohn: „Ich ziehe die Sachen alle an! Du brauchst sie nicht umtauschen.“

Er hatte nun schon feuerrot gestreifte Shirts an und keiner hat gelacht. Das hat er mir ungefragt erzählt und schien selbst erleichtert zu sein. Und er sagte, er würde auch die anderen roten Sachen sehr gerne anziehen. Das glaube ich ihm auf´s Wort.

Zurück zu den Lachern wegen der Ringelstrumpfhosen und den Schleifen. Der Sohn baute sich vor mir auf und sagte: „ Wenn der XY mich nochmal auslacht, dann sage ich einfach, dass jeder tragen kann was er will und dass er einfach SEINE Sachen tragen kann und ich meine. Und dass er doof ist.“

Den letzten Satz kann ich total nachvollziehen. 😀 Ich bot an, er könne besser sagen: „ Und du bist langweilig.“
Kleidungstechnisch kann ich das jedenfalls definitiv bestätigen. Aber so etwas habe ich bisher nie laut geäußert, weil ich nämlich finde, dass das jeder machen soll, wie er will.

Und dann kam eine weitere Baustelle zum Vorschein.

Der Sohn sagte, sein Freund Sowieso sei aber mit dem XY befreundet. Da fragte ich, ob der Sowieso denn auch lachen würde. Nein, kam als Antwort. Der Sowieso hätte auch bunte Sachen. Aha.
Dennoch sein Freund Sowieso sei trotzdem mit dem XY befreundet.

Ich verstand. Der Sohn verstand nicht, dass der Sowieso mit ihm, als auch mit dem „gemeinen“ XY befreundet sein kann.

Wir besprachen darauf hin das Wesen von Freundschaft.
Der Sowieso kann auch mit XY und dem Sohn befreundet sein, ohne dass der Sohn und XY miteinander befreundet sind.

Dennoch habe ich den Eindruck, dass der Sohn auch gerne mit XY befreundet wäre, bzw sich Loyalität vom Sowieso wünscht.
Was ich mir hingegen wünsche ist, dass der Sohn sich nicht von irgendwelchen Vollpfosten (das Wort Vollpfosten schreibe ich jetzt hier nur so unter uns 😬, ABER ich ärgere mich ein bisschen. Merkt man, oder?)) seine Vorlieben und Leidenschaften killen lässt und sich selbst verleugnet, damit irgendwer nicht lacht! Oder damit er zu den Coolen gehört.
Denn, nicht zu den vermeintlich Coolen zu gehören, ist das eigentliche Coole. Aber das begreift man ja erst viel später. Und bis dahin kann es mit unter richtig anstrengend sein.

Ich hoffe, ich kann meine Kinder weiterhin alle ruhig und gelassen begleiten, wenn sie ausgelacht oder geärgert werden und ihnen Kraft, Zuversicht und Selbstsicherheit mit auf den Weg geben, um IHREN Weg zu gehen (in Strumpfhosen und mit  komischen Kopfbedeckungen oder oder oder) und trotzdem allem anderen gegenüber aufgeschlossen zu bleiben.

7 Antworten auf „Das Modediktat der Uniformierten“

Das kenne ich und es ärgert mich auch wahnsinnig. Meine Große wollte einen eigentlich heißgeliebten Pullover nicht mehr anziehen, mit der Begründung „Blau ist eine Jungsfarbe!“ Ich habe dann total empört erwidert, daß es keine Jungs- und Mädchenfarben git und jeder tragen darf, was er will. In der Hinsicht hat „Die Eiskönigin“ was Gutes bewirkt, weil blau jetzt auch totale Mädchenfarbe ist, aber umgekehrt gilt das leider nicht.
Ein Junge aus dem Kindergarten, der nächstes Jahr eingeschult wird, hat zum Tag der offenen Tür der Schule nebenan ein Kleid getragen; ich fand das total Klasse. Die Mutter sagte mir, daß er auch sehr auf Nagellack steht und so. Die anderen Mütter, die neben mir saßen, kommentierten das mit „Das kann er doch zu Hause machen, aber doch nicht draußen!“ – also wo es alle sehen. Daraufhin meinte ich dann, das sei Diskriminierung. Ist doch wahr, bei Mädchen sagt kaum einer noch was, wenn sie Hosen tragen, also dürfen Jungs auch Röcke und Kleider tragen, wenn ihnen das gefällt. Basta.

Ich liebe es wie Du schreibst und kann mich stets sehr gut in die Situationen hineinversetzen, schmunzeln & mitfühlen!
So erging es mir auch wieder bei diesem Beitrag.
Unsere Jungs lieben lange Haare und der Große liebt auch Glitzer und Strumpfhosen ebenfalls.
Zwei Versuche die Haare wachsen zu lassen sind bereits gescheitert, weil er nach Hause kam und auch erzählt hat, dass die Kinder ihn auslachen mit Spängchen oder Zopfgummi.
Das finde ich auch gemein.
Jetzt ist gerade der dritte Versuch im Gange und ich bin gespannt, ob er es durchhält.
Es sind ja auch die Leute drum herum. Andere Eltern, Kassiererinnen, Großeltern, etc.
Fragte da neulich eine Mutter den Großen auf dem Spielplatz, wie denn seine kleine Schwester heiße. Das klang auch nach Provokation fand ich.
(Wenn man das Kind anschaut, sieht man, dass es ein Junge ist! Tzä! )
“Ach, isch hätt jetz jedaach dat Kleen wör ä Määdsche“
Hohoho.

Erstmal vielen Dank! 😊 Ja, die anderen Erwachsenen sind auch manchmal sehr direkt und überhaupt nicht einfühlsam. “Ach, isch hätt jetz jedaach dat Kleen wör ä Määdsche“ Hahaha, einerseits witzig, weil es wieder so typisch Kölsch ist, aber leider ÜBERHAUT nicht nachgedacht. Ich muss zugeben, dass mir auch schon Kinder begegnet sind, wo ich das Geschlecht nicht klar zuordnen konnte. Dann habe ich einfach gewartet, bis ich einen Namen aufgeschnappt habe. Oder eben das Geschlecht überhaupt nicht kommentiert. Weil es ist ja eigentlich auch egal. Es sind alles Kinder.
Dann hoffe ich, dass dieser Anlauf mit den langen Haaren klappt!
Viele Grüße!!!!

M mmh… also ich verstehe dich… aber zwei Dinge möchte ich doch schreiben… 1. Ich glaube nicht, dass es immer die Eltern sind… hier gibt es beispielsweise keine Farbbeschränkungen und meine Tochter hat trotzdem dieses Jungs-/Mädchending und will alles in pink und mit Glitzer :-/
Und zweitens finde ich es immer ein bisschen verlogen zu sagen, es sei egal, denn die allermeisten Erwachsenen tragen auch sehr geschlechtsspetifische Dinge… wir leben das ja auch vor… jetzt vielleicht nicht mit Rosa… aber meine Garderobe unterscheidet sich schon sehr von der meines Mannes…

Nein, es sind nicht immer die Eltern. Wie schon jemand in einem anderen Kommentar schrieb, es sind auch die anderen Erwachsenen, die diese Sortierung in männlich und weiblich vornehmen. Kassiererinnen, Großeltern…Ich habe ja auch geschrieben, dass die Kinder das irgendwo hören oder sehen. Klar, sehen die das auch. Ich wünsche mir nur, dass das wenn möglich von den Eltern moderiert wird. Oder von anderen. Kinder plappern wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.
Meine Garderobe unterscheidet sich übrigens auch deutlich von der meines Mannes. Obgleich ich auch schon Anzüge und Krawatte getragen habe. Dennoch, es geht ja nichtmal um Kleidchen. Sondern sogar um Farben. Und ich kenne einige Männer die rosa oder pinke Hemden tragen. Und im Kölner Nachtleben habe ich schon so manchen Mann im Frauenkleidern getroffen. Und immerhin gibt es auch noch Transsexualität. Frag die Transsexuellen mal wie sie sich fühlen in der Gesellschaft. Da gab es neulich noch einen tollen Blogbeitrag. Hier:http://www.terrorpueppi.de/2016/11/transfrau-nina-gestern-beim-kinderarzt-im-wartezimmer.html.
Es geht mir generell um mehr Toleranz für alles was vielleicht anders ist. Wichtig ist der Mensch allein.

Meine Jungs sind heute erwachsen. Als mein Großer im Kindergarten war, war seine Lieblingsfarbe pink. Er hatte Glück, zu dieser Zeit war es sehr modern Jungs in „Mädchenfarben“ zu kleiden, alleine um dem Klischee zu entgehen. Trotzdem wurde es Thema bei Omas und co. Ich mußte mir dann anhören, wie denn mein Junge in solchen Farben rumlaufen könne. Ich habe dann geantwortet: Meine Kids dürfen sich ihre Sachen aussuchen, solange sie funktional sind und meinem Budget entsprechen.
Nicht viel anders als heute nur das die Mode das Thema für sich entdeckt hatte. Je bunter die Kinder angezogen waren um so besser.
Heute sehe ich leider viele Kinder in passenden Erdtönen rumlaufen. Finde ich persönlich schade, da Kinder es einfach meist bunt mögen. Aber jeder wie er mag…
Bei meinem jüngeren Sohn war es anders. Ihm war es völlig egal was er an hatte. Bei der Frage was er anziehen wolle kam immer ein Schulterzucken.

Heute zieht er meist schwarze Sachen an, Mode und gutes Aussehen ist ihm eher egal. Dabei finde ich als Mutter, dass er ein toller Typ ist, eben nicht so glatt und angepasst.
Ich finde meine Jungs ganz toll und richtig so wie sie sind.
Übrigens, mein Großer mag Mode die ihm gefällt immer noch, aber paßt sich eher an.

Viel Spaß mit euren Kids und bleibt gelassen.

Sie werden schon.

GL